Dortmund. Borussia Dortmund trifft am Samstag auf den FC Bayern. Sturmlegende Klaus Fischer nimmt die beiden Stars unter die Lupe.

Natürlich wird auch Klaus Fischer ganz genau hinschauen. Wenn man jahrelang in der Bundesliga unterwegs war, interessiert man sich auch für das Topspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern an diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky). Und wenn man es in diesen Jahren zum zweitbesten Torjäger der Bundesliga-Geschichte gebracht hat, dann schaut man natürlich besonders auf das, was sich in den Strafräumen abspielt – wo zwei der besten Torjäger Europa unterwegs sein werden.

„Der eine zählt zu den besten Mittelstürmern der Welt“, sagt Fischer im Gespräch mit dieser Redaktion. „Der andere ist ein aufstrebender Mittelstürmer, dem noch einiges fehlt, der aber großes Potenzial hat.“

Lewandowski ist der Platzhirsch, Haaland der Herausforderer

Der eine ist Robert Lewandowski, 32 Jahre alt, Stürmer des FC Bayern, seit Jahren bester Torjäger der Bundesliga, amtierender Champions-League-Sieger, Europas Fußballer des Jahres und bald möglicherweise auch Weltfußballer. Und der andere ist Erling Haaland, 20 Jahre alt, Angreifer des BVB, der gerne eine ähnliche Karriere machen würde. Das Zeug dazu hat er, meint Fischer: „Obwohl er so jung ist, hat er schon gezeigt, was er drauf hat. Sein linker Fuß ist unglaublich. Seine Wucht und sein Tempo, das ist schon beeindruckend.“ In seinem Alter, so Fischer, „wüsste ich keinen, der mit solcher Wucht spielt“. Das Gesamtpaket aus Körpergröße, Tempo und Torinstinkt ist außergewöhnlich.

Klaus Fischer ist von Erling Haaland begeistert, hält Robert Lewandowski aber immer noch für den Maßstab.
Klaus Fischer ist von Erling Haaland begeistert, hält Robert Lewandowski aber immer noch für den Maßstab. © DPA

Aber da gibt es in München eben den Stürmer, der noch ein bisschen besser ist, der in acht von zehn Bundesligaspielzeiten mehr als 20 Tore erzielte. „So wie Lewandowski stelle ich mir einen Mittelstürmer vor“, sagt Fischer. „Er ist ein kompletter Stürmer. Solche Typen gibt es heute kaum noch und in Deutschland leider gar nicht mehr.“ Der Pole ist schnell und technisch stark, er funktioniert als Konterstürmer ebenso wie auf engem Raum gegen dichtgestaffelte Abwehrreihen. Weil er auch mit dem Rücken zum Tor anspielbar ist, dribbeln kann, ein starkes Gefühl für den Raum hat – und weil er auch sein Kopfballspiel deutlich verbessert hat.

Haaland fehlen noch einige Fähigkeiten, die Lewandowski auszeichnen

Haaland ist noch nicht so facettenreich. „Er hat kein Kopfballspiel wie Lewandowski, sein rechter Fuß ist nicht so gut wie Lewandowskis linker“, sagt Fischer. „Und wenn die Räume eng sind, tut er sich schwer.“ Der Norweger ist dann stark, wenn er Platz vor sich hat, wenn er seine Schnelligkeit ausspielen kann. Das Kopfballspiel ist trotz 1,94 Metern Körpergröße keine Waffe, das Kombinationsspiel ausbaufähig, das Anlaufverhalten bei gegnerischem Ballbesitz ebenso. „Daran muss er arbeiten, dann kann er das verbessern“, sagt Fischer.

Genau so hat es Lewandowski ja gemacht. Denn angesichts seiner aktuellen Version vergisst man gerne, dass der Anfang des Polen in Deutschland alles andere als einfach war. Haaland kam schon als potenzieller Weltstar, um den sich europäische Spitzenklubs balgten, und brachte das entsprechende Selbstvertrauen mit. Er schoss in seinem ersten Bundesligaspiel gegen den FC Augsburg nach seiner Einwechslung drei Tore.

Klopp schickte Lewandowski beim BVB einst als Spielmacher auf den Platz

Der Beste hat gut Lachen: Robert Lewandowski führt schon wieder die Torjägerliste in der Bundeslig an.
Der Beste hat gut Lachen: Robert Lewandowski führt schon wieder die Torjägerliste in der Bundeslig an. © Firo

Lewandowski kam 2010 als weitgehend unbekannter und schüchterner 21-Jähriger für 4,75 Millionen Euro vom polnischen Erstligisten Lech Posen. Auch er schoss drei Tore in seinem ersten Spiel, allerdings in einem Testspiel gegen den damaligen Bezirksligisten Hörder SC. Ansonsten hatte er einen schweren Stand gegen Lucas Barrios, der im Vorjahr 19 Bundesligatore gemacht hatte und gar nicht daran dachte, seinen Platz zu räumen.

Es dauerte, bis Lewandowski wirklich ankam, zunächst waren da vor allem vergebene Torchancen und eine unerbittliche Boulevardpresse, die es ausnutzte, dass sich der Nachname leicht zu einer wenig schmeichelhaften Bezeichnung umformen ließ. Und er hatte überhaupt keinen Spaß daran, dass der damalige Trainer Jürgen Klopp ihn statt als Stürmer häufig auf der Position des Spielmachers einsetzte.

Frühere-BVB-Kollegen schwärmen noch immer von Lewandowski

Erst später räumte er ein, wie sehr er von dieser Maßnahme profitiert hatte, wie sehr er Technik, Passspiel und Spielverständnis geschult hatte. Und als sich Barrios verletzten sollte und länger ausfiel, da durfte er endlich dauerhaft im Sturm spielen – und war fortan nicht mehr wegzudenken. Spricht man mit früheren Teamkollegen, klingt es einerseits oft distanziert, von Freundschaft ist selten die Rede. Aber stets ist Respekt, teils Bewunderung zu spüren für den Ehrgeiz und die Professionalität des Stürmers, der stets daran arbeitete, noch besser zu werden, der an Ernährung, Schlafgewohnheiten und natürlich der eigenen Technik feilte. Kein Wunder, dass er selten verletzt war.

Ihm gehört die Zukunft: Erling Haaland, Torjäger von Borussia Dortmund.
Ihm gehört die Zukunft: Erling Haaland, Torjäger von Borussia Dortmund. © AFP

Haaland ist da anders, einerseits. Er verbringt gerne Zeit mit den vielen anderen Jungspunden beim BVB, vor allem mit Giovanni Reyna. Andererseits ist auch bei ihm dieser Ehrgeiz, diese Professionalität zu erkennen. Nach dem Training übt er gerne noch Torschüsse, auch an freien Tagen taucht er häufig im Kraftraum am Trainingsgelände auf, mit einem persönlichen Trainer arbeitet er ohnehin zusammen. Zu Hause nutzt er eine Spezialbrille, die das Licht elektronischer Geräte herausfiltert und ihm hilft, besser zu schlafen.

Lewandowski hat Fischer in der ewigen Torjägerliste im Visier

Es geht um Details, darum, die letzten Prozentpunkte herauszukitzeln – um vielleicht eine Karriere machen zu können, wie sie Lewandowski schon gelungen ist. Der hat inzwischen 246 Bundesligatore erzielt. Nach menschlichem Ermessen wird er also bald an Klaus Fischer vorbeiziehen, der auf 268 Treffer kommt. Nur Gerd Müllers Marke von 365 wird wohl auch für den Bayern-Star unerreicht bleiben.

„Damit habe ich absolut kein Problem“, sagt Fischer über die Aussicht, bald überholt zu werden. „Wenn einer die Tore so macht, wie er sie macht, ist das eben so.“ Ein kleiner Trost immerhin bleibt ihm: „Die beiden vor mir kommen aus dem gleichen Verein. Und es ist schon ein Unterschied, ob man seine Tore für Bayern München macht oder für 1860 München, Bochum, Köln und Schalke.“