London/Manchester. Mesut Özil macht nur noch durch politische Äußerungen auf sich aufmerksam. Vom einstigen Fußball-Star ist nicht mehr viel übrig.

Genau rechtzeitig zu seinem 32. Geburtstag an diesem Donnerstag macht Mesut Özil mal wieder Schlagzeilen. Sie haben jedoch nicht seine Leistungen als Fußballer des Londoner Klubs FC Arsenal zum Inhalt, sondern sein Betragen neben dem Platz, wie so oft in der jüngeren Vergangenheit. Über Twitter, wo der frühere deutsche Nationalspieler mit mehr als 25 Millionen Followern eine enorme Reichweite besitzt, bekundete er im Konflikt um die Region Bergkarabach im Kaukasus seine Solidarität mit dem von der Türkei unterstützten Aserbaidschan. Dafür gab es umgehend Kritik, unter anderem von Omid Nouripour, dem Sprecher für Außenpolitik der Bundestagsfraktion der Grünen. Wenn sich Özil zu solchen Themen äußere, „sollte er auch die aggressive Außenpolitik der Türkei kritisieren“.

Mesut Özil: Erdogan-Foto als Anfang vom Ende

So geht das schon länger: Von dem Fußballer Özil, der es vom Bolzplatz in Gelsenkirchen-Bismarck ins Nationalteam geschafft hat, ist nichts mehr zu sehen oder zu hören. Man nimmt den Weltmeister von 2014 nur noch wahr wegen seiner Äußerungen zu politischen Fragen oder im Streit mit seinem Arbeitgeber. Im Dezember machte er auf die Unterdrückung der muslimischen Uiguren-Minderheit in China aufmerksam und brachte den Klub gegen sich auf, da das Land ein lukrativer Markt für die Premier League ist. Im April war Özil laut übereinstimmenden Berichten einer von drei Arsenal-Profis, die sich weigerten, wegen der Corona-Krise auf 12,5 Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Mit einem Wochengehalt von knapp 390.000 Euro war er zu diesem Zeitpunkt der bestbezahlte Profi des Teams.

Zuletzt bot Özil an, das Gehalt jenes Arsenal-Mitarbeiters zu übernehmen, der seit 27 Jahren das beliebte Klub-Maskottchen Gunnersaurus spielt und gerade einer Entlassungswelle zum Opfer fiel, die Arsenal mit den finanziellen Schwierigkeiten durch die Pandemie begründete. Was aussah wie eine nette Geste des Mittelfeldspielers, wurde in England als öffentlichkeitswirksamer Coup gedeutet, um Stimmung gegen den Klub zu machen. Unvergessen bleibt natürlich Özils Foto mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan vor der WM 2018, das schließlich zum Rücktritt des einstigen Profis von Schalke 04, Werder Bremen und Real Madrid aus der deutschen Nationalmannschaft führte. Keine zehn Jahre nachdem Özil vom DFB noch als Paradebeispiel für gelungene Integration inszeniert wurde.

Der FC Arsenal wollte Özil danach die Wärme geben, die er im Team von Bundestrainer Joachim Löw vermisste – doch mittlerweile ist auch das Verhältnis mit den Londonern äußerst unterkühlt. Unter dem seit Dezember amtierenden Trainer Mikel Arteta kam Özil anfangs noch regelmäßig zum Einsatz, seit der Corona-Pause hat er jedoch keine Pflichtspiel-Minute mehr absolviert. Nicht einmal im zweitrangigen Ligapokal ist Platz im Aufgebot für Özil. Auch im gerade bekannt gegebenen Arsenal-Kader für die Europa League fehlt er. Arteta fährt einen konsequenten Kurs: Hat er sich einmal gegen einen Spieler entschieden, gibt es kein Zurück.

Arsenals Trainer-Ikone Arsene Wenger zeigt Mitgefühl mit Mesut Özil

Da Özil kein Interesse hat, Arsenal vor dem Ende seines fürstlichen Vertrags im kommenden Jahr zu verlassen, wird die Öffentlichkeit Zeuge eines absurden Szenarios: dass nämlich der Klub einem Spieler ein horrendes Gehalt dafür überweist, auf der Tribüne zu sitzen. Einem Spieler – das gerät schnell in Vergessenheit angesichts der verfahrenen Situation –, der über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt. Kein Wunder, dass Arsenals ehemaliger Trainer Arsène Wenger Mitgefühl mit Özil zeigt. „Er wird verschwendet. Er ist in einem Alter, in dem ein Spieler mit seinem Talent die besten Leistungen zeigen kann“, sagte der Franzose und appellierte an Arteta, Özil doch wieder in die Mannschaft zu integrieren.

Doch dass das passieren wird, ist unwahrscheinlich, denn der Neuaufbau unter dem Ex-Profi, der einst noch mit Özil zusammen gespielt hat, läuft gut. Arteta führte Arsenal in der vergangenen Saison zum Gewinn des FA-Cups und zum Start der neuen Spielzeit zum Sieg im englischen Supercup. Der Spanier ist beliebt beim Publikum und hat die Unterstützung seiner Vorgesetzten. Man kann davon ausgehen: auch im Umgang mit Özil.

Sieben Jahre nach dessen Ankunft bei den Londonern, damals als Rekordeinkauf für rund 50 Millionen Euro und bis dahin teuerster deutscher Fußballer, liegt seine Zukunft auf Eis. Das Onlineportal The Athletic stimmte bereits sentimental den Abgesang an: „So geht es weiter für Arsenal und Özil bis zum bitteren, bitteren Ende.” Im Sommer wird es dann soweit sein.