Dortmund. Die Hall of Fame im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund wird vergrößert. Die neuen Mitglieder heißen Vogts, Möller, Ballack, Fischer und Völler.

Natürlich haben sie es alle verdient, jeder auf seine Weise. Sie haben Großes geleistet während ihrer Karriere, sie haben Menschen verzückt, begeistert, zum Staunen gebracht. Und das nicht nur sporadisch, sondern immer wieder, über lange Zeiträume. Wer in die Hall of Fame des deutschen Fußballs einzieht, der gehört nicht nur hierzulande zu den Großen der Geschichte dieses Sports.

Im Frühjahr 2019 war die Gründungself in der Heimat der Ruhmeshalle, im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund, im Rahmen einer großen Gala ausgezeichnet worden - jeder einzelne Name eine Verbeugung wert: Sepp Maier, Andreas Brehme, Franz Beckenbauer, Paul Breitner, Günter Netzer, Matthias Sammer, Lothar Matthäus, Fritz Walter, Uwe Seeler, Gerd Müller, Helmut Rahn und Trainer Sepp Herberger – eine Auswahl, die sich sehenlassen kann.

Jury aus Sportjournalisten wählte

Der zweite Jahrgang hätte in diesem Jahr in angemessenem Rahmen geehrt werden sollen, das Votum war auf Oliver Kahn, Hans-Jürgen Dörner, Wolfgang Overath, Jürgen Klinsmann und Trainer Helmut Schön gefallen. Coronabedingt musste die Feier verschoben werden, geplant ist nun eine gemeinsame Auszeichnung mit dem dritten Jahrgang im nächsten Jahr. Denn die Hall of Fame wird erneut erweitert. Die aus führenden deutschen Sportjournalisten bestehende 22-köpfige Jury legte sich auf fünf weitere Persönlichkeiten fest, die in den elitären Zirkel aufgenommen werden: Die Wahl fiel auf Berti Vogts, Andreas Möller, Michael Ballack, Klaus Fischer und Rudi Völler. Nicht zur Wahl standen Spieler, deren Karrieren noch nicht mindestens seit fünf Jahren beendet sind.

Wieder gingen dem Votum leidenschaftliche Diskussionen voraus, die natürlich um den großen Begriff Gerechtigkeit kreisten. Manuel Neukirchner, der Direktor des Deutschen Fußballmuseums und Initiator der Hall of Fame, ist mit dem Ergebnis äußerst zufrieden: „Wir haben fantastische Neuaufnahmen“, sagt er. „Der dritte Jahrgang knüpft nahtlos an die beiden ersten Jahrgänge an.“ Hier erklären wir warum.

Berti Vogts: Der Terrier

WM Siegerehrung 1974: Berti Vogts (li.) präsentiert den Pokal, Hans Georg Schwarzenbeck (Mitte) und Rainer Bonhof schauen zu.
WM Siegerehrung 1974: Berti Vogts (li.) präsentiert den Pokal, Hans Georg Schwarzenbeck (Mitte) und Rainer Bonhof schauen zu. © imago/WEREK | imago

Als Bundestrainer, der die Europameisterschaft 1996 gewann, sagte Berti Vogts einen bemerkenswerten Satz. „Einer wie ich es war, hätte in meiner Mannschaft heute keine Chance mehr.“ Er wollte damit ausdrücken, wie sehr sich der Fußball verändert hatte. Abwehrspieler wurden zu Spiel-Eröffnern, mussten plötzlich Flanken schlagen können und überhaupt: Offensiv-Qualitäten nachweisen.

Berti Vogts konnte früher vor allem unerbittlich verteidigen. Wer gegen ihn spielte, spürte den Atem des Attackierenden. „Terrier“ wurde er deshalb genannt – das war sehr wohl ein Ehrentitel. Der heute 73-Jährige brachte es mit bescheidener Technik, aber enormem Kampfgeist nach ganz oben: Er wurde Weltmeister 1974, war Kapitän der Nationalmannschaft und eine der prägenden Figuren der großen Ära von Borussia Mönchengladbach.

Andreas Möller: Der Unterschätzte

Europameisterschaft 1996, Halbfinale: Deutschland gewinnt 7:6 n.E. gegen England. Andreas Möller (Deutschland) bejubelt seinen verwandelten, entscheidenden Elfmeter in Napoleon-Pose vor dem englischen Fanblock.
Europameisterschaft 1996, Halbfinale: Deutschland gewinnt 7:6 n.E. gegen England. Andreas Möller (Deutschland) bejubelt seinen verwandelten, entscheidenden Elfmeter in Napoleon-Pose vor dem englischen Fanblock. © imago/Horstmüller | imago sportfotodienst

Andreas Möller versenkte den Elfmeter und lief gleich durch bis zur deutschen Fankurve in Wembley. Dort baute er sich in Napoleon-Pose auf und genoss es sichtlich, groß gefeiert zu werden – nach einem grandiosen Fußballspiel. Er hatte die deutsche Nationalmannschaft soeben ins Endspiel der Europameisterschaft 1996 in England geschossen, mit dem entscheidenden Treffer im dramatischen Halbfinal-Elfmeterschießen gegen den Gastgeber. Europameister wurde das Team dann zwar ohne ihn, weil er gelbgesperrt war, und doch war sein Anteil am Titel groß.

Andi Möller, dem der Ruf nachging, etwas zu weich zu sein, der als Heulsuse verspottet wurde, hatte nicht nur in dieser wichtigen Szene Verantwortung übernommen. Der heute 53-Jährige polarisierte, dabei war er ein Mittelfeldspieler moderner Prägung: laufstark, technisch stark, abschlussstark. Der Frankfurter gewann internationale und nationale Titel mit Borussia Dortmund und Juventus Turin, und vor dem Karriere-Ende schaffte er es sogar noch, die Fans von Schalke 04 von sich zu überzeugen, für die er jahrelang als Zielscheibe ihrer Antipathie herhalten musste.

Sich gegen deren Widerstände durchzusetzen, war seine erstaunlichste Leistung, Möller gewann auch mit Schalke zweimal den DFB-Pokal. Als sie ihn dann „Kampfsuse“ nannten, durfte er sich geadelt fühlen – wie nun bei der Aufnahme in die Hall of Fame. „Als ich ein kleiner Junge war, habe ich Idolen wie Franz Beckenbauer und Wolfgang Overath nachgeeifert“, sagt er. „Jetzt unter all diesen Legenden zu sein, ist eine Riesenehre, das finde ich einfach unfassbar.“

Michael Ballack: Der Capitano

Der Kapitän am Ball: Michael Ballack bei der EM 2008.
Der Kapitän am Ball: Michael Ballack bei der EM 2008. © Bongarts/Getty Images | Alexander Hassenstein

Der Gesichtsausdruck sagte alles über den Schuss aus: Der sollte rein, der musste rein, mit allem Willen, mit aller Kraft. Dieser Freistoß, das Goldene Tor gegen Gastgeber Österreich bei der Europameisterschaft 2008, war ein typischer Michael-Ballack-Treffer. Auch wenn kaum etwas lief: Auf ihn war Verlass. Michael Ballack, geboren in Görlitz und heute 44 Jahre alt, versteckte sich nicht, er ging voraus. Ein gutes Jahrzehnt lang, in dem er für Bayer Leverkusen, den FC Bayern und den FC Chelsea spielte, war er der einzige deutsche Feldspieler von Weltklasseformat.

Er war der Kapitän der umjubelten deutschen Mannschaft bei der Heim-WM 2006, und als ihm Kevin-Prince Boateng in England mit einem rüden Tritt die Teilnahme an der WM 2010 nahm, rief die ARD einen nationalen Notstand aus und thematisierte das Fehlen des „Capitano“ in einem Brennpunkt nach der Tagesschau. Michael Ballack hat keine internationalen Titel gewonnen – und wurde dennoch dreimal Fußballer des Jahres.

Klaus Fischer: Der Mister Fallrückzieher

Dieses Tor. Stuttgarter Neckarstadion, November 1977, Länderspiel gegen die Schweiz. Rüdiger Abramczik raste über rechts außen, seine hohe Flanke segelte über zwei Abwehrspieler hinweg, dann legte sich sein Schalker Vereinskollege Klaus Fischer mit dem Rücken zum Tor in die Luft und versenkte den Ball per Fallrückzieher.

Auf Schalke ist er längst eine Legende: Klaus Fischer.
Auf Schalke ist er längst eine Legende: Klaus Fischer. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

ARD-Zuschauer wählten den Treffer erst zum Tor des Jahres, dann zum Tor des Jahrzehnts und schließlich zum Tor des Jahrhunderts. So ein Bild bleibt. „Wenn ich die Kinder in meiner Fußballschule frage, wie viele Fallrückziehertore ich in der Bundesliga gemacht habe, sagen die einen 30, die anderen 50“, erzählt der 70-Jährige. „Wenn ich ihnen verrate, dass es nur eins war, sind die total enttäuscht.“ Klaus Fischer traf eben aus allen Lagen: Er brachte es auf 268 Bundesligatore – Platz zwei hinter Gerd Müller (365). Dass er am Bundesliga-Bestechungsskandal von 1971 beteiligt war, wertete die Jury als Jugendsünde. Klaus Fischer stellt sich dem Thema, er hat diesen Fehler tausende Male bereut: „Ich frage mich immer noch: Wie kann man so blöd sein wie wir damals?“

Rudi Völler: Der Kultfußballer

Als er 1990 im Achtelfinale der Weltmeisterschaft in Italien zu Unrecht gemeinsam mit Frank Rijkaard vom Platz gestellt wurde und von dem Niederländer auch noch angespuckt wurde, zog Rudi Völler nicht nur Mitleid auf sich, sondern auch Respekt: Weil er sich in dem Moment zusammenriss und sich nicht zu einer Revanche hinreißen ließ. Am Ende triumphierte Völler als Weltmeister in Rom, keinem anderen war dies damals mehr gegönnt worden. Bis heute ist der 60-Jährige einer der beliebtesten deutschen Fußballer geblieben. Zum einen, weil er nicht nur Torjäger war, sondern auch Kämpfer. Zum anderen, weil er immer authentisch war, weil er sich nie verstellte.

Rudi Völler obenauf: 1990 feiert er auf den Schultern von Jürgen Klinsmann den WM-Titel.
Rudi Völler obenauf: 1990 feiert er auf den Schultern von Jürgen Klinsmann den WM-Titel. © imago images/Sven Simon | via www.imago-images.de

„In einem Fußballland wie Deutschland zu den Topspielern aller Zeiten zu gehören, ist eine tolle Geschichte“, sagt er. „Das ist für mich nicht selbstverständlich.“ Für ihn vielleicht nicht, für viele Fußballfreunde ganz bestimmt. „Es gibt nur ein‘ Rudi Völler“, sangen die Fans. Wer kann schon von sich behaupten, mit einem eigenen Lied geehrt worden zu sein?

Hall of Fame der Frauen

Auch eine Gründungself der Frauen zählt seit einem Jahr zur Hall of Fame des deutschen Fußballs. Das Top-Team besteht aus Silke Rottenberg, Steffi Jones, Doris Fitschen, Nia Künzer, Martina Voss-Tecklenburg, Silvia Neid, Renate Lingor, Bettina Wiegmann, Ilka Grings, Heidi Mohr, Birgit Prinz und Trainerin Tina Theune.