Paris. Laura Siegemund scheitert im Viertelfinale der French Open. Doch sie hat die Gewissheit, eine starke Saison gespielt zu haben.
Anderthalb Wochen hatte Laura Siegemund das Pariser Schmuddelwetter und ihre Rivalinnen im roten Sand mit entschlossener Trotzigkeit besiegt. Sie war im Nieselregen über den Platz gestampft, abends hielt sie, dick eingemummt, auch mal einstellige Temperaturen grummelnd aus. Als sie nun am zweiten French Open-Mittwoch auf den Centre Court marschierte, schien die Sonne. Der Himmel war blau-weiß angemalt, es fühlte sich ein wenig an wie Roland Garros im Frühling. Aber Siegemund konnte den schönen Tag nicht wirklich genießen, sie kämpfte zwar noch einmal mit aller Macht und Leidenschaft in ihrem Viertelfinalduell mit der zweimaligen Wimbledon-Königin Petra Kvitova, aber nach 80 Minuten war dann ihr schmuckloses 3:6, 3:6-Aus besiegelt. „Ich bin ziemlich enttäuscht jetzt. Aber ich werde bald stolz sein auf das, was ich geleistet habe“, sagte Siegemund, die auch wieder von ihren zuletzt chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich gepiesackt wurde, speziell beim Aufschlag.
Das Ende dieses Matches, ein bitterer Doppelfehler der 32-jährigen Metzingerin, war dann auch das Ende von wundersamen, herausragenden Grand Slam-Wochen. Siegemund holte in New York zusammen mit ihrer russischen Partnerin Vera Zvonereva in beeindruckender Form den US Open-Doppeltitel, ehe sie nun unterm Eiffelturm auch als Solistin ein kräftiges Ausrufezeichen setzte. Nie war Siegemund zuvor ins Viertelfinale bei einem der vier kostbaren Major-Wettbewerbe gekommen, es war der wichtigste, spektakulärste Erfolg als Einzelkämpferin seit ihrem Turniersieg vor dreieinhalb Jahren beim heimischen Stuttgarter Porsche Grand Prix. Mit dem Vorstoß in die Runde der letzten Acht in Paris rückte Siegemund auch wieder in die Top 50 der WTA-Weltrangliste vor, ein bemerkenswerter Coup für eine Spielerin, die zwischen 2017 und 2018 wegen eines Kreuzbandrisses aus dem Wanderzirkus herausgeschleudert worden war und bei ihrem Comeback danach nur schwer wieder Anschluss an die Besten gefunden hatte.
Die „Oma der Tour“ zeigte sich mehr als rüstig
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Siegemund gehörte zu den Spielerinnen, die sich nach dem Neustart des Tennisbetriebs am besten mit den seltsamen Verhältnissen arrangierte – und anders als auch die meisten deutschen Mitstreiterinnen die Gunst der Stunde in der Rumpfsaison nutzte. Die selbsternannte „Oma der Tour“ zeigte sich mehr als rüstig, als im Spätsommer und Frühherbst das kompakte Grand Slam-Programm ins Laufen kam. Und selbst als die Ausscheidungsspiele im hundekalten Paris zwischendrin alles andere als ein Vergnügen waren, mit ohnehin schon vielen Arbeitsstunden in den Knochen, zeigte die 32-jährige Mumm und Biß. „Ekelhaft“ seien die Umstände, sagte Siegemund, aber sie war schlicht froh, überhaupt wieder und weiter spielen zu können.
Gegen Kvitova, die kraftvolle Tschechin, war auf der Zielgeraden des Pariser Gastspiels nichts auszurichten. Siegemund hat gegen die meisten Gegnerinnen immer noch eine Lösung parat, einen Plan B oder C. Aber Kvitova gehört zu den Akteurinnen, die an einem guten Tag schlicht keine Gegenwehr, keine Tricks und Finten zulassen, einfach, weil ihr eigenes Spiel so erdrückend und kompromisslos ist. 2015 hatte Siegemund schon einmal bei einem Grand Slam gegen Kvitova gespielt, bei den US Open verlor sie damals mit 1:6 und 1:6.
Nach dem 3:3 gewann Siegemund kein Spiel mehr
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Viel besser gestaltete sich das erste Major-Viertelfinale ihrer Karriere auch nicht, erst im zweiten Satz kam die Deutsche besser ins Spiel, nutzte einige Leichtsinnsfehler von Kvitova konsequenter aus. Bis zum 3:3 war alles noch offen, doch dann gewann Siegemund kein Spiel mehr. Es war aus und vorbei, aber eine Gewissheit blieb: Sie, Laura Siegemund, hatte als einzige im deutschen Frauentennis in dieser Saison für schöne Momente und sogar einen Grand Slam-Sieg gesorgt.