Paris. Alexander Zverev und Daniel Altmaier gehört die Zukunft. Laura Siegemunds Chance im Halbfinale in Paris kaschiert die Sorgen bei den Damen.
Es ging langsam auf Mitternacht zu, als Daniel Altmaier am Montag seine letzten Bälle unterm Dach des aufgehübschten Pariser Centre Courts schlug. Altmaier war übermotiviert, übereifrig, übermütig, die siebte Tennis-Partie in den letzten 15 Tagen war dann doch eine zu viel für den 22 Jahre alten Burschen vom Niederrhein. 2:6, 5:7, 2:6 verlor der Kempener das Match in ebenso imposanter wie beklemmender Umgebung gegen den Spanier Pablo Carreno Busta. Kein Grund zu größerer Enttäuschung und Traurigkeit indes.
Altmaier hatte die Erwartungen, den Plan bei diesen French Open als Qualifikant weit übertroffen. Er blickte deshalb flott wieder zuversichtlich in seine Karrierezukunft: „Es war eine tolle Erfahrung, hier in die große Tour hineingeschnuppert zu haben“, sagte er, „jetzt werde ich mich bereit machen für die nächsten Wochen.“ Schon ab Montag schlägt Altmaier, genau so wie mutmaßlich Alexander Zverev, sofern er genesen ist, beim neu etablierten ATP-Turnier in Köln auf.
Altmaier war die deutsche Geschichte der French Open
Altmaier war – neben der noch aktiven Viertelfinalistin Laura Siegemund, deren Spiel wegen zahlreicher Regenunterbrechungen auf diesen Mittwoch verschoben wurde – die deutsche Geschichte dieses letzten Grand-Slam-Turniers der Saison. Eine Geschichte, die trotz aller Überraschungseffekte gleichwohl ins Bild passte. Denn wenn in den letzten Jahren, lange vor der Corona-Krise, verblüffende Tennismomente auf den größeren Bühnen zu bestaunen waren, dann waren sie nur dem deutschen Herrentennis zuzuschreiben. Der Sauerländer Jan-Lennard Struff (30) untermauerte seinen späten Karriereaufschwung mit guten Grand-Slam-Resultaten. 2019 tauchte der Schwarzwälder Dominik Koepfer (22) bei den US Open überraschend im Achtelfinale auf und scheiterte erst am späteren Endspielteilnehmer Daniil Medwedew (Russland).
Altmaier ist neben dem nur ein Jahr älteren, gleichwohl längst etablierten Zverev ein Hoffnungsträger im deutschen Herren-Tennis. Aber wo bleiben bei alldem die deutschen Damen, was ist aus dem deutschen Fräuleinwunder geworden? Natürlich sind plötzliche Knalleffekte nie auszuschließen, aber es scheint, als habe die goldene Generation mit Angelique Kerber (32), Julia Görges (31) und Andrea Petkovic (33) die besten Tage hinter sich. Und genau so sehr darf man vermuten, dass Erfolge wie speziell von Kerber bei Grand-Slam-Festspielen in Zukunft erst einmal ausbleiben werden.
Keine unter 30 Jahren in den Top 100
Hinter Kerber und Co. klafft eine Leistungslücke, gerade in der Generation zwischen 25 und 30 Jahren. Auch Siegemund gehört altersmäßig eher nicht zu denen, die langfristig noch für schwarz-rot-goldene Erfolgsmomente sorgen können. An der unermüdlichen Schwäbin könnten sich allerdings einige Weggefährtinnen und Nachwuchsspielerinnen ein Beispiel nehmen, schließlich hat Siegemund gegen manche Erwartung doch noch spät den Durchbruch in die Weltspitze geschafft. Mit 32 Jahren feiert sie gerade ihre beste Saison, der Doppeltitel bei den US Open in New York war der bisherige Höhepunkt einer wechselhaften Laufbahn.
Zu viele andere Talente im deutschen Frauentennis gingen in den letzten Jahren aber verloren, die einst hochgehandelte Hamburgerin Carina Witthöft (25) nahm sich eine unbestimmte Auszeit vom Tourgeschehen – sie kam weder mit den eigenen noch mit den öffentlichen Erwartungen klar. Die Düsseldorferin Antonia Lottner (24), als Teenagerin in der Weltspitze des Tennis-Nachwuchses, ist im Niemandsland verschwunden, sie rangiert aktuell auf Platz 173 der Weltrangliste. Unter den besten 100 der WTA-Hitparade ist keine deutsche Spielerin zu finden, die jünger als 30 Jahre ist. Die beste Deutsche unter 25, die 22 Jahre alte Katharina Gerlach, taucht erst auf Position 243 auf.
Rittner richtet Fokus auf Teenager
Ein „beängstigendes Gesamtbild“ hatte DTB-Abteilungsleiterin Barbara Rittner für ihren Arbeitsbereich bereits in dieser Saison ausgemacht. Es sei ihr bange vor dem Moment, „wenn die Kerbers und Görges’ mal abtreten werden.“ Man müsse konstatieren, „dass der Anschluss an das internationale Topniveau verloren gegangen ist“. Rittner setzt inzwischen schon auf 16- bis 18-jährige Spielerinnen. „Wunderdinge sind da nicht zu erwarten erst mal, wir brauchen da viel Geduld“, sagt sie, „wir werden ihnen in jedem Fall die Vollgas-Unterstützung für ihre Karriere bieten.“ Vorerst geht es darum, überhaupt erst mal im Profibetrieb anzukommen.