Essen/Kleinrinderfeld. Der 72-Jährige aus Kleinrinderfeld sammelt seit Jahren in Archiven und Bibliotheken historische Informationen. Elf Bände sind schon erschienen.

Groundhopping ist eine bekannte Leidenschaft. Fußball-Enthusiasten reisen in alle Welt, um die Atmosphäre in unterschiedlichsten Arenen mitzuerleben. Udo Luy ist auch schon viel herumgekommen in Sachen Fußball. Für das, was er tut, gibt es allerdings keinen eingängigen Namen. Der 72-Jährige schnuppert keine Stadionluft, sondern wälzt am liebsten Akten in Bibliotheken und Archiven.

Luy ist Fußballhistoriker und hat sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte des deutschen Fußballs seit seinen Anfängen aufzuarbeiten. Dafür ist der Mann aus Kleinrinderfeld, wenige Kilometer südwestlich von Würzburg gelegen, mit seinem Ford Fiesta schon durch die gesamte Republik getourt. Nord, Süd, Ost, West – überall hat der Rentner in akribischer Detailarbeit in Bibliotheken und Archiven Sportseiten aus Tageszeitungen gescannt, um zu protokollieren, wie sich der Fußball hierzulande entwickelt hat.

Fußball-Bände im Eigenverlag herausgegeben

Aktuell ist Luy in die Geschichte des Westdeutschen Spielverbands (WSV) – vormals Rheinisch-Westfälischer Spielverband – im Zeitraum von 1892 bis 1914 vertieft. Die Ligaspiele und Tabellen aus den Anfangsjahren anderer Verbände hat Luy bereits in elf Bänden im Eigenverlag herausgegeben.

Zeit, sich Sehenswürdigkeiten anzuschauen, hatte Luy bei seinen Recherche-Trips nicht. „Ich habe außer dem Hotelzimmer nie viel gesehen. Meistens war ich von acht bis 22 Uhr in den Bibliotheken. Ich wollte keine Minute verschenken“, erzählt Luy. Dafür habe er immer seinen Urlaub geopfert. Und nun befinde sich ein Datenvolumen von mehr als 500 Gigabyte auf seinem Computer.

Recherche in den Archiven der Sporthochschule Köln

Woher kommt diese Passion, sich durch stapelweise Zeitungen zu wühlen? „Die Historie des deutschen Fußballs hat mich schon immer interessiert, eigentlich seit meiner Kindheit“, sagt Luy. Passenderweise bekam er als kleiner Junge 1958 den Kicker-Almanach geschenkt. Die Begeisterung hielt jedoch nicht lange. Es sollte 50 Jahre dauern, ehe das Thema den gebürtigen Nürnberger wieder packte.

Deutsche Meisterschaft im Mai 1920: Halbfinale zwischen dem 1. FC Nürnberg und Titania Stettin.
Deutsche Meisterschaft im Mai 1920: Halbfinale zwischen dem 1. FC Nürnberg und Titania Stettin. © picture-alliance/ dpa | dpa Picture-Alliance / Harro Schweizer

Mit dem Aufkommen des Internets entdeckte der ehemalige Großhandelskaufmann auf einmal Statistiken und Informationen, auf die er gerne schon in seiner Jugend Zugriff gehabt hätte. Also machte er sich auf den Weg nach Köln an die Sporthochschule, um im Archiv selbst zu recherchieren. „Eine Woche war ich zu Beginn dort und habe die Sportteile gescannt“, berichtet Luy.

Weitere Besuche folgten. Und als Fan des 1. FC Köln hat er bei seinen Reisen in der Domstadt manchmal sogar die Informationsbeschaffung mit aktuellem Fußball gekoppelt. Dabei erlebte er eine Serie, die in seinen Büchern garantiert nicht nachzulesen ist. Im Juni 1983 sah Luy im Müngersdorfer Stadion den 1:0-Pokalsieg des FC durch einen Treffer von Pierre Littbarski im Stadtderby gegen Fortuna Köln.

Luy sieht 26 Jahre keinen Kölner Sieg

Danach sei er 26 Jahre bei einigen Heim- und Auswärtsspielen mit dabei gewesen und habe keinen Erfolg seiner Mannschaft mehr bejubeln können, verrät er lachend. Bis zum Jahr 2009, erst dann endete diese ungewöhnliche Pechsträhne.

Heute arbeitet Luy täglich acht Stunden in seinem Archivzimmer, in dem unzählige Aktenordner stehen, um den ersten Band zum westdeutschen Fußball von den Anfängen bis 1908 zu komplettieren.

Geschichte des Westdeutschen Fußballs geht bis ins Jahr 1892 zurück

„In den Büchern gibt es nicht nur reine Tabellen, sondern es geht um die Geschichte des jeweiligen Verbandes seit seiner Gründung – mit den zugehörigen Bezirken. Dabei wird nicht nur die höchste Spielklasse erfasst, sondern auch Tabellen und Kreuztabellen bis in die untersten Klassen. Außerdem werden Verbands-, Bezirks- oder Gautage wiedergegeben – genauso wie Vereinsgründungen, Fusionen und Umbenennungen“, so Luy. Als Auflockerung seien auch Mannschaftsbilder und Spielszenen – sofern auffindbar – abgebildet.

Im Westen gehen die Ursprünge des Fußballs ins Jahr 1892 zurück. „Da habe ich die ersten Unterlagen zu Spielfesten gefunden“, sagt Luy: „Mit den Jahren gab es dann immer mehr Klassen und Ligen und somit kamen auch mehr Vereine hinzu.“ Was seine Frau zu seinem ungewöhnlichen Hobby sagt? „Ich habe ihre volle Unterstützung“, sagt er schmunzelnd. Wenn er mit ihr oder seinen Enkeln etwas unternehme, müsse er am Folgetag eben eine Extraschicht in seinem Zimmer zwischen Ergebnissen, Statistiken und Unterlagen einlegen.