Paris. Daniel Altmaier, der Tennis-Profi vom Niederrhein, besiegt den Sauerländer Jan-Lennard Struff. Bei den French Open erreicht er Runde drei.

Aus der Not des Corona-Stillstandes hatte Daniel Altmaier im Frühjahr und Sommer eine Tugend gemacht. Tag für Tag war er stundenlang auf den Trainingsplätzen herumgeflitzt oder hatte im Fitnessraum die Gewichte gestemmt. Als er vor anderthalb Wochen nach Paris kam, zur Qualifikation für die French Open, atmete er nach dem Mammutprogramm insgeheim auf: „Das Turnier wirkte auf mich erst mal wie eine Erholung nach der ganzen Maloche.“ Seine Gegner bekamen Altmaiers Topverfassung seitdem wieder und wieder zu spüren, sein gutes Selbstgefühl, seine psychische und physische Robustheit, seine zupackende Attitüde immer dann, wenn es ernst wurde im roten Sand.

Gestern krönte er seinen bisherigen Siegeslauf nun mit dem souveränen, fast makellosen 6:3, 7:6 (7:4), 6:3-Zweitrundentriumph über den favorisierten Landsmann Jan-Lennard Struff. „Ich habe lange auf diesen Moment warten müssen. Jetzt ist er da – und ich bin sehr glücklich“, sagte Altmaier. In der dritten Runde trifft Altmaier am Samstag entweder auf den italienischen Weltranglisten-Achten Matteo Berretini oder den Südafrikaner Lloyd Harris. Struff traut Altmaier nun weitere Überraschungen zu: „Wenn er so spielt, hat er natürlich eine Chance, ich drücke ihm die Daumen.“

Altmaier erstmals auf der großen Bühne

Alles ist eigentlich noch sehr neu, sehr ungewohnt für den jungen, 22-jährigen Mann vom Niederrhein, aus Kempen. Aber wie ein grüner Debütant wirkt der kernige Athlet keineswegs bei seinem ersten Gastspiel auf einer der vier Grand Slam-Bühnen, beim ersten Turnier seines Lebens, bei dem er potenziell auch einmal fünf Sätze spielen müsste.

In diese Verlegenheit allerdings ist der entschlossene, energische Youngster in Paris noch nicht gekommen, nur in der dritten und letzten Qualifikationsrunde (Best-of-Three) gab er gegen den Belgier Ruben Bemelmans einen Durchgang ab. Ansonsten gewann er alle zwölf Sätze, schaltete in der ersten Runde im Hauptfeld immerhin auch den stets unberechenbaren, gefährlichen Routinier Feliciano Lopez (Spanien) glatt aus.

Altmaier bald im Davis Cup?

Genau wie Lopez pfefferte auch Struff am Donnerstag verärgert seinen Schläger auf Platz 13 umher Nur einmal, zu Anfang und Mitte des zweiten Satzes, durfte sich Struff nach einer Breakführung leichte Chancen gegen den Qualifikanten ausrechnen – doch der beendete mit einer Longline-Rückhand zum 7:4-Gewinn des Tiebreaks die Hoffnungen des hochgewachsenen Sauerländers auf ein Comeback.

„Tolle Leistung, mein Respekt. Das war ein absolut verdienter Erfolg“, stellte da aus der Ferne auch Herrentennis-Chef Boris Becker fest. Kein Zweifel: Altmaier hat mittel- bis langfristig auch das Zeug, neben Alexander Zverev und Dominik Koepfer die Generationen-Lücke im Davis Cup-Team zu schließen.

Erstmals unter den Top 150

Während etablierte Kräfte wie Philipp Kohlschreiber oder Dominik Koepfer bereits in Paris scheiterten, andere deutsche Akteure erst gar nicht die Qualfikationsmühen überstanden, legte Altmaier geradezu unwiderstehlich los unter dem Eiffelturm. Und das hatte eben auch und vor allem mit seiner körperlichen Konstitution zu tun, mit dem beschwerdefreien Wirken nach all den Verletzungen, die ihn über die Jahre immer mal wieder weit zurückgeworfen hatten.

Er wirkte stets drahtig, agil, unternehmungslustig in Paris, er schien nie das Gefühl zu haben, etwas verlieren zu können. Gleichzeitig strahlte Altmaier eine innere Ruhe aus, die ihn jegliche Prüfung in den Matches überstehen ließ. Neues Terrain hat er in vielerlei Hinsicht betreten, er hat sein erstes Grand Slam-Hauptfeld erreicht, nun gleich der Vormarsch in Runde drei absolviert. Und wenn Altmaier in anderthalb Wochen auf die Weltrangliste blickt, wird er sich zum ersten Mal in seiner Karriere unter den Top 150 wiederfinden. Mindestens – denn noch sind seine French Open nicht vorüber.