Braunschweig. Die Leichtathleten leiden bei der Deutschen Meisterschaft unter hohen Temperaturen. Gesa Krause kapituliert vor ihnen sogar.

Laufen in gesundheitsgefährdender Hitze? Da werden Erinnerungen wach an die Wüsten-Weltmeisterschaften in Doha im vergangenen Herbst. Doch wir reden über Braunschweig und die 37 Grad im Schatten am Samstag im Eintracht-Stadion, über deutsche Leichtathletik-Meisterschaften, bei denen die außergewöhnlichen Wetterbedingungen die Sportler stärker beeinträchtigten als die besonderen Hygiene- und Abstandbedingungen, unter denen diese Titelkämpfe stattfinden mussten.

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Die DLV-Organisatoren waren plötzlich mit Fragen nach mehr schattenspendenden Sonnenschirmen an der Dreisprunganlage oder einer Verlegung des 5000-Meter-Laufs in die Abendstunden konfrontiert statt nach der Notwendigkeit des Maskentragens im gesamten Stadionrund. Ein gutes Zeichen, dass zumindest die angereisten Athleten die DM wohl doch richtig ernst nahmen und beste Voraussetzungen für starke Leistungen einforderten.

Bekannte deutsche Gesichter fehlen

Dass eine Handvoll der bekanntesten Gesichter fehlte, kochte besonders bei den Fernsehanstalten negativ hoch. Sie sendeten immerhin fünf Stunden live aus Braunschweig und hätten dafür eben gerne auch Konstanze Klosterhalfen, Gina Lückenkemper, Thomas Röhler, Christoph Harting und Christina Schwanitz präsentiert.

Die Debatte führte beispielsweise dazu, dass sich 100-Meter-Meisterin Lisa Marie Kwayie fragen lassen musste, ob ihr Titel in 11,30 Sekunden denn nun weniger wert sei, weil Lückenkemper und Tatjana Pinto nicht gestartet waren. Doch die 23-Jährige (Neuköllner SF) konterte gelassen und zutreffend, sie habe sich ja mit Rebekka Haase (Wetzlar/11,34) ein spannendes und gutklassiges Duell geliefert.

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Das traf erst recht für die männlichen Sprintkollegen zu, die in Deniz Almas vom VfL Wolfsburg so etwas wie den Retter des ersten Tages hervorbrachten. Nach den 10,09 Sekunden des neuen deutschen Meisters vor Joshua Hartmann (Köln/10,23) und Altmeister Julian Reus (Erfurt/10,26) durfte nicht länger über die langsame Braunschweiger Bahn lamentiert werden. Der 23-Jährige Hallenmeister bestätigte in souveräner Manier seine Topzeit aus Weinheim, wo er eine Woche zuvor auf der speziellen Bahn in 10,08 Sekunden der aktuell schnellste Europäer geworden war. Almas steckte den Druck der neuen Favoritenrolle erstaunlich cool weg und nährte die Hoffnung, dass er ein neues Aushängeschild der deutschen Leichtathletik sein kann.

Speerwerfer stehen am Sonntag im Mittelpunkt

Am Sonntag fokussierte sich die Aufmerksamkeit auf die drei größten Stars, die auch tatsächlich ablieferten. Allen voran Weltklasse-Speerwerfer Johannes Vetter, der im Vorfeld einige Kollegen für ihr Fernbleiben scharf kritisiert hatte. Mit 87,36 Meter setzte der Offenburger ein Zeichen, dass bei diesen Titelkämpfen durchaus Topleistungen möglich waren. Gleich mit vier Versuchen übertraf er 84 Meter. Sein Rivale Andreas Hofmann (77,35/Mannheim) musste sich mit Silber begnügen.

Weltmeisterin Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) gewann den Weitsprung souverän mit 6,71 Meter, obwohl sie auf der schwingenden Steganlage mit deutlich verkürztem Anlauf, mit 16 statt 20 Schritten, loslegte. „Das hat gut geklappt“, sagte sie. Der böige Wind sei allerdings schwierig gewesen. Und Hochsprung-Europameister Mateusz Przybylko (Leverkusen) hatte schon mit 2,23 Meter gewonnen, setzte aber mit 2,28 noch eins drauf.

Die meisten großen Favoriten setzten sich relativ sicher durch, ohne ganz groß zu glänzen, was sicher auch dem Fehlen von Zuschauern und ihrem emotionalen Push geschuldet war. Wo ein Überflieger fehlte, wurde es oft richtig spannnend. So boten diese so besonderen Titelkämpfe unter dem Strich viele ordentliche, aber nur wenige herausstechende Leistungen. Doch wie hätte es angesichts der Corona-Pause und der abgesagten internationalen Höhepunkte auch anders sein sollen? Wer wollte da Vergleich ziehen mit unter normalen Umständen erbrachten Weltklassewerten?

Mihambo: Symbolische Meisterschaften

Die meisten Athleten zeigten sich froh, dass der DLV diese Titelkämpfe und somit einen echten Saisonhöhepunkt allen Widrigkeiten zum Trotz auf die Beine gestellt hatte. Sie hätten „einen symbolischen Wert“ gehabt, sagte Mihambo.

Und wer scheiterte, war ungemein enttäuscht. Das untermauerten die Äußerungen der tragischen Figuren des ersten Tages. Hindernis-Star Gesa Krause, die aus ihrem 3000-m-Rennen ausgestiegen war, gab sich völlig erschrocken über ihre Formschwäche. Ausgerechnet sie, die ja eigentlich nie aufgibt und die sich im Vorfeld so vehement für die Austragung der Mittelstrecken bei diesen Titelkämpfen eingesetzt hatte. „Das war definitiv nicht mein Tag und die Form, die ich von mir erwartet habe und die man von mir kennt“, kommentierte sie entsetzt ihren kraftlosen Auftritt.

Pamela Dutkiewicz bleibt an einer Hürde hängen

Oder Hürden-Ass Pamela Dutkiewicz, die mit ihrem Start trotz Wettkampfpause die Anstrengungen der Organisatoren würdigen wollte, aber im Halbfinale an einer Hürde hängen geblieben war. „Das ärgert mich schon“, sagte sie. „Ich habe die Meisterschaften nicht so abgeschlossen, wie ich wollte.“

Und die Hitze? „Es ist ja nicht so, dass wir uns keine Gedanken gemacht hätten“, sagte DLV-Eventdirektor Marco Buxmann. Man habe die Lage mit Medizinern erörtert und zusätzliche Trinkgelegenheiten und Abkühlungsmöglichkeiten aufgebaut. Die langen Rennen von 17 Uhr kurzfristig noch weiter in den Abend zu legen, sei aber nicht möglich gewesen, was auch an den Auflagen zur Coronabekämpfung lag: „Die Athleten waren ja längst zu bestimmten Timeslots ins Stadion bestellt worden.“ Und außerdem, fügte Buxmann in Erinnerung an die ursprüngliche Bestimmung dieser Titelkämpfe als Olympiaqualifikation an: „Wer in Tokio dabei sein möchte, muss sich an die Temperaturen gewöhnen.“