Essen. Der Unfall des Radprofis Jakobsen zeigt, dass immer noch mit der Gesundheit von Athleten gespielt wird. Das ist nicht zeitgemäß. Ein Kommentar.
Am Morgen danach gab es schon leichte Entwarnung. „Nachdem wir den Sturz gesehen haben, haben wir das Schlimmste befürchtet, aber jetzt wissen wir, dass die Situation ernst, aber stabil ist“, ließ sich Czeslaw Lang, Renndirektor der Polen-Rundfahrt zitieren. Bei einem der ersten großen Radsport-Rennen nach der Corona-Zwangspause hatte ein schwerer Unfall für bedrückende Bilder gesorgt. Der niederländische Profi Fabio Jakobsen wurde im Zielsprint in die Absperrgitter gedrängt. Er liegt nun im künstlichen Koma.
Das schlimmste an diesem Sturz: Er war absolut vermeidbar - aus zwei Gründen. Landsmann Dylan Groenewegen hatte den 23-Jährigen von der Piste gedrängt. Eine gravierende Unsportlichkeit, für die der Top-Sprinter zurecht disqualifiziert worden ist. Der andere: Die Organisatoren haben offenbar mit der Sicherheit der Athleten gespielt. Wieder einmal.
Radfahrer Geschke kritisiert Organisatoren
Der Berliner Fahrer Simon Geschke, in der Radsport-Szene für eine klare Haltung bekannt, twitterte: „Jedes Jahr derselbe dumme Bergab-Sprint bei der Polen-Rundfahrt. Jedes Jahr frage ich mich, warum die Organisatoren denken, das sei eine gute Idee“, schrieb der 34-Jährige. „Massensprints sind gefährlich genug, man braucht kein Bergab-Finale mit 80 km/h.“
Dass gewisse Sportarten von extremen Geschwindigkeit oder vom Reiz der Gefahr leben, lässt sich wohl nie verändern. Allerdings sind die Veranstalter in der Pflicht, die bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten - und sollten Unfälle nicht noch mit einer riskanten Streckenführung wie bei der Polen-Rundfahrt forcieren.
Die Formel 1 hat das zunächst unpopuläre Halo-System eingeführt. Der Bügel über dem Cockpit soll verhindern, dass die Piloten von umherfliegenden Teilen am Kopf getroffen werden. Weitläufige Auslaufzonen erlauben inzwischen Fahrfehler. Natürlich gibt es nach wie vor Unfälle mit Schwerstverletzten und sogar Tote - die Zahlen sind im Vergleich zu früheren Jahrzehnten jedoch dramatisch gesunken.
Höher, schneller, weiter. Dieses Motto hat vielleicht im antiken Sport gegolten – aber sicher nicht im 21. Jahrhundert. Athletinnen und Athleten sind nicht nur für die Show da, sie sind kein Produkt der Unterhaltungsindustrie. Sie sind Menschen.