Essen. Europas Spitzenklubs starten in die Champions und Europa League. Deutsche Klubs zählen zu den Favoriten. Die Corona-Zahlen sorgen für Nervosität.
Julian Nagelsmann wirkt erstaunlich entspannt, was unter sportlichen Gesichtspunkten nachvollziehbar ist: Der Trainer von RB Leipzig ist mit seiner Mannschaft schon im März ins Viertelfinale der Champions League eingezogen, womit das Soll erfüllt ist. Nun kann er am 13. August ohne Druck ins Spiel gegen Atlético Madrid gehen – und ganz offen vom Finale sprechen: „Träumen kann man ja, es ist ja im Bereich des Möglichen“, sagte er der Bild am Sonntag.
Zwei Spiele müsste Leipzig dazu gewinnen, normalerweise wären es in dieser Phase des Wettbewerbs vier – einer von vielen Punkten, die zeigen, dass in diesem Jahr alles anders ist. Der europäische Fußballverband Uefa trägt seine Wettbewerbe ab dem Viertelfinale als Turnier aus, ohne Rückspiele, ohne Zuschauer, mit einem Hygienekonzept ähnlich dem der Bundesliga, und an wenigen Orten gebündelt: die Champions League in Lissabon, die Europa League in Nordrhein-Westfalen – in Duisburg, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln.
Die Uefa ließ den Ligen den Vortritt
Als der Fußball nach der Corona-Pause langsam den Betrieb wieder aufnehmen konnte, hatte die Uefa den nationalen Ligen den Vortritt gelassen. Über ihr Brot-und-Butter-Geschäft sollten die Klubs Pleiten verhindern, danach sollten die Europapokalspiele an Orten mit geringem Infektionsgeschehen folgen – so zumindest lautete der Plan.
Nun aber steigt die Anspannung, weil auch die Infektionszahlen nicht wie erhofft sinken. In Portugal schossen sie Mitte Juli in die Höhe, auch in NRW steigen sie wieder. Und besondere Sorge bereitet die spanische Region Katalonien, für die die Bundesregierung soeben eine Reisewarnung verhängt hat.
Neapel will nicht in Barcelona spielen
Denn die Achtelfinal-Rückspiele, die im März noch nicht ausgetragen waren, will die Uefa in den ursprünglich vorgesehenen Stadien nachholen lassen. Und so muss der SSC Neapel am 8. August beim FC Barcelona antreten, was die Italiener für keine gute Idee halten: „Ich begreife nicht, warum wir in einer Stadt spielen müssen, in der die Lage wegen der Corona-Pandemie kritisch ist“, poltert Klubchef Aurelio de Laurentiis. Bei der Uefa mag man (noch) nicht reagieren: „Das Spiel ist angesetzt und soll wie geplant in Barcelona stattfinden“, heißt es.
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Sorgen machen auch die Corona-Fälle Mariano von Real Madrid und Nemanja Gudelj vom FC Sevilla, der am 6. August in Duisburg auf AS Rom trifft. „Wir sind zuversichtlich, dass diese Fälle keine Auswirkungen auf die betreffenden Spiele haben werden“, beteuert die Uefa. Weitere Infektionen aber könnten die Turniere ins Wanken bringen, denn der Spielplan ist eng getaktet: Vom 5. bis 23. August sind nur drei Tage ohne Fußball vorgesehen.
Die Pause als Nachteil
Die Verantwortlichen mühen sich, die Gedanken aufs Sportliche zu lenken. Etwa auf die Frage, ob die Deutschen davon profitieren, dass sie anders als die Konkurrenz schon Ende Juni mit dem Ligabetrieb fertig waren. „Ich glaube prinzipiell, dass die anderen Ligen keinen Nachteil haben, wenn sie länger gespielt haben“, sagt Nagelsmann. „Mehr im Rhythmus zu sein, ist für so ein Champions-League-Turnier schon ein bisschen mehr ein Vorteil, als länger Pause gehabt zu haben.“
Andererseits sind die Chancen für Außenseiter wie Leipzig größer, wenn es über 90 statt 180 Minuten geht – worauf der RB-Trainer vorbereitet wäre: In seinem Vertrag ist für den Champions-League-Sieg eine Prämie verankert. Heiß gehandelt werden aber andere Klubs: So nennt Vorjahressieger Jürgen Klopp, mit dem FC Liverpool bereits ausgeschieden, Manchester City. Paris Saint-Germain mit dem früheren Dortmunder Trainer Thomas Tuchel wird oft genannt. Und Nagelsmann sieht den FC Bayern vorn.