Silverstone. Die Formel-1-Weltmeisterschaft wird in der Corona-Saison beinahe zur Europameisterschaft. Ist das die Zukunft der Rennserie?
Das 1000. Formel-1-Rennen im letzten Frühjahr fand vor trostloser Kulisse in Shanghai statt, damals wurde Besserung versprochen: Der 70. Geburtstag sollte in Großbritannien, dort wo alles begann, groß nachgefeiert werden. Jetzt ist die Königsklasse in ihrer wahren Heimat zurück, sogar mit zwei Rennen in Folge. Aber Feierstimmung kommt in der Corona-Saison kaum auf. Die Fans müssen vor den Bildschirmen bleiben. Für Europa immerhin ist der Not-Kalender ein Gewinn, denn zur richtigen Weltmeisterschaft wird dieses Jahr kaum werden.
Rennserie will die Fernsehverträge erfüllen
Die Planungen von Rechteinhaber Liberty Media um F1-Boss Chase Carey konzentrieren sich darauf, mindestens 15 Rennen zu fahren, damit die Fernsehverträge erfüllt werden und wenigstens dadurch Geld in die Kasse kommt. Geld, von dem auch das Überleben aller zehn Rennställe abhängt.
Den drei Rennhattricks folgt ein Gastspiel in Russland (mit Zuschauern und besonders viel Startgeld), dann folgen drei Läufe im Herzen Europas – und vor Weihnachten zwei bis drei Rennen in den Golf-Staaten. Vietnam und Malaysia hätten auch Interesse. Alles, was sich in Amerika abspielen sollte, egal ob Nord oder Süd, ist vertagt. Und wird, so ist bei den Brasilianern zu hören, vielleicht auch nie wieder zurückkommen. Dort läuft der Vertrag aus.
Formel 1 braucht Rennen auf drei Kontinenten
Um den Status einer Weltmeisterschaft zu bekommen, sind eigentlich Rennen auf drei Kontinenten notwendig, das ist jetzt nicht mehr zu schaffen. Aber die Ausnahmegenehmigung ist angesichts der Notstandsgesetze beim Automobilweltverband Fia relativ leicht zu bekommen: Höhere Gewalt. Europa und Asien müssen zusammen die Welt ergeben. Auch die Funktionäre sind stolz, dass die Formel 1 es als erster und bislang einziger globaler Sport geschafft hat, überhaupt in die Gänge zu kommen.
Gerade jetzt zeigt sich, dass der Kernmarkt der Königsklasse auf europäischem Boden liegt. Die Begeisterung in Australien, Kanada oder Japan ist ähnlich groß, gewiss, aber die Großen Preise dort bilden willkommene exotische Eckpunkte. Durch Sprünge nach Übersee, die aufwändig, teuer und höchst unsicher sind, will die Formel 1 in erster Linie ihren glänzenden Vorbildcharakter nicht gefährden.
Das verlässliche Zentrum des Interesses, das zeigt die Krise deutlich, bilden jedoch die Fans in Europa.