Budapest. Der Milliardär Lawrence Stroll ist der Chef des Rennstalls Racing Point. Sein Ziel ist die Weltmeisterschaft – mit Sebastian Vettel?

Racing Point, das ist ein Allerweltsname für ein Team in der Formel 1. Der Rennstall hieß ganz am Anfang auch mal Jordan – dort machten die Brüder Michael und Ralf Schumacher ihre ersten Fahrversuche in der Königsklasse. Im kommenden Jahr könnte dort die Karriere von Sebastian Vettel doch noch weitergehen.

Der Heppenheimer würde dann anstelle des Mexikaners Sergio Perez zum Fahrlehrer des kanadischen Talents Lance Stroll, dem Sohn von Teamchef Lawrence Stroll. Der soll nach einem Treffen in Gstaad bereits einen Vertrag vorgelegt haben – es ist das große Thema rund um den Großen Preis von Ungarn an diesem Sonntag (15.10 Uhr/RTL/Sky).

Doch wer ist der Mann, der dafür sorgen will, dass Deutschland in der kommenden Saison noch einen Formel-1-Fahrer am Start hat?

Warum sich Stroll in der Formel 1 engagiert

Würde Lawrence Stroll erst in diesem Sommer 60 Jahre alt werden, dann hätte seine Geburtstagsparty vermutlich ein anderes Motiv. Im vorigen Jahr durften die Gäste sich noch im Stil vom „Großen Gatsby“ vergnügen, diesmal wäre „James Bond“ das angemessene Motto. Denn der Kanadier hat das Sagen bei der kränkelnden britischen Traditionsmarke Aston Martin übernommen, die den Film-Agenten im Auftrag ihrer Majestät stets stilvoll ausrüstet.

Stroll ist zwar ein Visionär, aber kein Mann der Fiktion. Hinter seinem Investment von 656 Millionen Dollar steckt dennoch mehr als der Wunsch eines Großaktionärs nach schnöder Geldvermehrung. Es geht um Leidenschaft, um Macht, um Familie, Geltung – und um Sport. Ego und Geschäftssinn verbinden sich für ihn perfekt in der Formel 1.

Stroll will Formel-1-Rekord

Wer von „Forbes“ auf ein Privatvermögen von 2,5 Milliarden Dollar geschätzt wird, der kann sich nahezu alles kaufen. Lawrence Strolls ewige Versuchung ist der Erfolg. In der Formel 1 brauchte Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz sechs Jahre bis zum ersten Titelgewinn unter eigenem Namen. Das ist der Maßstab, damit ist auch klar: Stroll will schneller sein. Er kaufte sich erst bei Williams ein, dann beim kriselnden Force-India-Rennstall und schuf daraus Racing Point, das kommende Werksteam von Aston Martin.

Einer der Investoren bei Aston Martin – der Firma, nicht direkt dem Rennstall – ist Strolls Freund Toto Wolff, der Sportchef von Mercedes. Keine unwichtige Verbindung, gerade bei einem Vettel-Transfer. Lawrence Stroll selbst unterhält beste Beziehungen zu Ferrari.

Lawrence Stroll tut alles für Sohn Lance

Wenn sich der Mann mit der mächtigen Körperstruktur etwas in den Kopf setzt, bekommt er es meistens auch. Die ganze Familie ist Anfang des vergangenen Jahrzehnts von Montreal an den Genfer See umgezogen, damit Sohnemann Lance in Europa die bestmögliche Ausbildung zum Rennfahrer angedeihen kann. Stroll Junior schaffte nach intensivem Privatunterricht vor drei Jahren auch den Sprung in die Formel 1, Vaters Investment in den Williams-Rennstall war dabei durchaus hilfreich.

Lance Strolls Leistungen sind noch schwankend. Aber er ist erst 21, noch müssen er und seine Eltern den Traum nicht aufgegeben. Im Gegenteil: Racing Point bekommt eine neue Rennfabrik, und wenn Vettel dort andockt, auch eine Leitfigur – für Sohn und Team. Eine millionenschwere Abfindung für Stammfahrer Perez wäre da zu verschmerzen.

Modezar im Motorsport

Der Mann, der als Lawrence Sheldon Strulovich geboren wurde, versucht sein klassisches Beuteschema aus der Modeindustrie in der Automobilbranche erfolgreich zu wiederholen. Die Marken Ralph Lauren, Tommy Hilfiger und Michael Kors verdanken seinem Instinkt und seiner harten Hand ihre heutige Geltung. Das Formel-1-Engagement war zunächst mehr Hobby als Investment, aber irgendwann erkannte Stroll: „Der Wert einer solchen Anlage wird steigen, wenn man sie richtig behandelt.“

Racing Point ist das beste Beispiel: In den ersten beiden Saisonrennen zeigte sich bereits, dass der neue Rennwagen ein Top-Auto ist. Die Konkurrenz munkelt, dass es sich um eine Kopie des Vorjahres-Silberpfeils handele, dagegen laufen erste Proteste. Solche Anfeindungen lassen Stroll eher kalt, sie verfestigen nur seinen Willen.

Stroll ist ein Geschwindigkeits-Junkie. Seit er 1978 in Montreal seinen ersten Grand Prix sah, bei dem Landsmann Gilles Villeneuve im Ferrari siegte, lässt ihn der Motorsport nicht mehr los. Wann immer es geht, fährt er seine privaten Sportwagen aus: „Wenn ich meine Autos benutze, bin ich hart – ich nutze sie zu 100 Prozent in ihrer Leistung aus. Wenn ich sie im Rennen fahren, gehe ich Risiken ein. Ich betrachte sie nicht über ihren Wert. Ich möchte die Empfindungen spüren, die ein Auto vermitteln kann.“

Ärger wegen Ferrari-Sammlung

In seiner Heimat hatte er Ärger mit Nachbarn, die mal gegen eine Vergrößerung der Tiefgarage für seine Ferrari-Sammlung und dann die vielen Helikopterflüge zu seiner privaten Rennstrecke klagten. Lawrence Stroll gab an, dafür Verständnis zu hegen. Nur: Wer seine Ruhe haben wolle, der dürfe eben nicht in die Nähe von Lärm ziehen. Das entspricht seinem Selbstverständnis ebenso wie der Name seiner 62 Meter langen Superyacht: Faith. Vertrauen – insbesondere in sich selbst.