Belgrad. Tennis-Star Novak Djokovic hat sich auf seiner Tour mit dem Corona-Virus infiziert, sein Ruf ist beschädigt. Tausende Tests stehen noch aus.
Am Montagmorgen hatte es Novak Djokovic dann auf einmal ganz besonders eilig. Der weltbeste Tennisspieler packte seine Koffer in Zadar, der vorerst letzten Station seiner längst umstrittenen Adria-Tour, und reiste Hals über Kopf mitsamt Familie von Kroatien nach Belgrad. Djokovic schien zu ahnen, was bald und unvermeidlich auf ihn kommen würde, es war schließlich schon bekannt, dass sich sein Profikollege und Mitstreiter bei der Balkan-Schaukampfserie, der Bulgare Grigor Dimitrow, mit dem Corona-virus infiziert hatte.
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24 Stunden nach dem Blitz-Trip, es war nun Dienstag geworden, hatte Djokovic schließlich Gewissheit,: Auch er hatte sich mit dem Virus angesteckt, dazu auch seine Frau Jelena. Die häusliche Quarantäne kann Djokovic nun in seiner serbischen Heimat absitzen, die nächsten 14 Tage lang. Das Turnier habe er „in guter Absicht“ ausgerichtet, zu wohltätigen Zwecken, erklärte Djokovic in einem wenig reumütig klingenden Statement, „wir organisierten das Turnier in einem Moment, in dem sich das Virus abgeschwächt hatte. Doch unglücklicherweise ist es noch da.“
Die Krise torpediert die zaghaften Öffnungsbemühungen im tennis
Der Positivtest des 17-maligen Grand-Slam-Champions war indes der Höhepunkt einer Krise, die sich seit dem Bekanntwerden des Corona-Falles Dimitrow immer weiter aufgeschaukelt und immer mehr Stars und ihre Entourage betroffen hatte. Eine Krise auch, die geeignet ist, die zaghaften Öffnungsbemühungen im globalen Tennis-Wanderzirkus zu torpedieren.
Aber die befremdlichen Vorfälle bei der Tingeltour unter Djokovics Lenkung hatten zuvorderst auch eine sehr schädigende persönliche Konsequenz – für das Image und die Reputation des Weltranglisten-Ersten, des viermaligen Weltsportler des Jahres.
Barbara Rittner: „Da verstehe ich nicht, in welcher Welt die leben“
Nach ohnehin vielkritisierten Einlassungen des 33-jährigen Topmanns in den letzten Monaten, etwa auch sein Coming-out als Impfgegner, geriet Djokovic nun auch als jemand unter Beschuss, der fahrlässig die Gesundheit anderer zumindest aufs Spiel setzte.
„Respektlos und rücksichtslos“ seien die Szenen von Djokovics Event erschienen, sagte DTB-Damenchefin Barbara Rittner. „Die ganze Welt hält Abstand und trägt Masken. Und an der Adria saß man Schulter an Schulter ohne Masken, hat nachts gefeiert und sich oberkörperfrei in den Armen gelegen“, sagte Rittner. „Da verstehe ich nicht, in welcher Welt die leben.“
Tausende Tests von Turnierhelfern stehen noch aus
DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff erklärte, man solle bei aller begründeten Kritik an Djokovic „nicht vergessen, dass auch Spieler wie Dominic Thiem oder Alexander Zverev dort wenig verantwortlich gehandelt haben.“
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Die vorläufige Schadensbilanz des Balkan-Tennisabenteuers war jedenfalls schon beträchtlich. Neben Dimitrow und dem Ehepaar Djokovic wurden auch der Kroate Borna Coric, Viktor Troicki und dessen schwangere Ehefrau sowie zwei Coaches positiv getestet. Tausende von Tests standen allerdings noch aus, nicht zuletzt von Ballkindern und Turnierhelfern. Aber auch von Fans, die sich untereinander viel zu nahe gekommen waren.
Djokovic könnte seinen Posten als Spielerrepräsentant verlieren
In Kroatien löste die zum Fiasko gewordene Tennisserie sogar eine kleine Staatsaffäre aus, immerhin war das Land bisher vergleichsweise gut durch die Pandemiezeit gekommen, mit einer relativ geringen Anzahl von Infizierten und Todesopfern. Nun mussten sich neben 100 Fans und Ballkindern auch der Bürgermeister von Zadar und der Präfekt der Region in Selbstisolation begeben. Sie hatten dem infizierten Coric die Hand geschüttelt.
Djokovics Machtposition in der Tennispolitik gerät im Zuge seines Tour-Debakels in Gefahr. Der Serbe hatte in den letzten Jahren immer mal wieder Schlüsselpositionen in der Szene mit Vertrauten besetzt, auch an der Installierung des neuen ATP-Chefs Andrea Gaudenzi war er beteiligt gewesen. Doch war er als Präsident des ATP-Spielerrats noch immer haltbar. Und nun, da er mit seinen Partybildern für komplett falsche Aufmerksamkeit gesorgt hatte? Aus US-Kreisen war zu hören, es gebe ernste Bestrebungen, Djokovic von seinem P osten als Spielerrepräsentant abzulösen, „je schneller, umso besser“.