Essen. Profis und Amateure spielen im Internet weiter Schach. Der deutsche Verband will die Chance, die die Krise dem Sport bietet, nutzen
Wenn es einer wissen muss, dann Magnus Carlsen. „Schach ist einzigartig in der Sportwelt, da die Bewegungen gleich sind, egal ob auf einem Holzbrett oder einem Computerbildschirm“, sagte der Norweger zur Bekanntgabe seines Online-Superturniers. Der Weltmeister nutzt die Corona-Krise und fordert ab dem 18. April sieben seiner ärgsten Rivalen heraus. Es geht um 250.000 Dollar Preisgeld.
Der Schachsport setzt sich in Bewegung
Kurz darauf legte der europäische Verband ECU nach: Vom 15. bis zum 30. Mai wird eine Online-Europameisterschaft ausgerichtet. Während alles steht, setzt sich der Schachsport richtig in Bewegung.
Das Spiel ist dank des Internets fast immun gegen die Corona-Krise. Das Kandidatenturnier in Jekaterinburg, wo Carlsens Herausforderer um die WM-Krone gesucht werden sollte, musste zwar abgebrochen werden. Auf den Plattformen im Internet allerdings fordern sich Amateure und Profis weiter heraus. Auch in Deutschland.
Derzeit erlebt Schach in der Bundesrepublik trotz Corona einen Frühling: „Schach ist momentan die einzige Sportart, die man fast ohne Modifikationen im Internet spielen kann. Deshalb sehen wir in der Corona-Krise durchaus die Chance, dass unser Sport mehr Menschen erreichen kann“, sagt Marcus Fenner, Geschäftsführer und Sportdirektor des Deutschen Schachbundes, im Gespräch mit dieser Redaktion.
Großmeister Siebrecht schwärmt
Genaue Zahlen gibt es nicht, allerdings kann Fenner auf dies verweisen: Noch bis zum 9. Mai läuft die erste Deutsche Internetmeisterschaft. „Die Idee dazu hatten wir vor etwa einem Jahr. Es ist reiner Zufall, dass sie jetzt in Zeiten der Corona-Krise stattfindet. Sie ist davon auch nicht betroffen. In der Vorrunde haben etwa 1000 Spieler teilgenommen, darunter fast die gesamte Spitze des deutschen Schachsports.“ Einer davon: Großmeister Sebastian Siebrecht aus Essen.
„Schach ist prädestiniert fürs Internet“, sagt der 46-Jährige. „Ich bin ein Freund davon, sich am Brett zu treffen, weil man sich dort besser austauschen kann“, sagt Siebrecht, „aber wenn es nur ums Spielen geht, ist das Internet ideal.“ Siebrecht spürt selbst die Auswirkungen von Corona. Seine bundesweite Veranstaltungsreihe „Faszination Schach“ ist derzeit auf Eis gelegt. Er überlegt deshalb, Kurse im Internet anzubieten. „Schach hat extremes Potenzial, da kann man viel machen. Wenn die Schachspieler sich geschickt anstellen, kann es nochmal einen richtigen Boom geben.“
Die Ligen ruhen, das Vereinsleben nicht
In Deutschland gibt es etwa 2500 Schachvereine und rund 94.000 aktive Spieler. Die Ligen ruhen wie in anderen Sportarten derzeit, doch das Vereinsleben nicht. Die Klubs organisieren sich im Netz. Laut Siebrecht gibt es dort sogar „Quarantäne-Meisterschaften“. Er selbst war an einem Vereinsabend der SF Essen-Katernberg live aus Frankreich zugeschaltet.
Schachprofis haben Probleme
Für nicht alle ist die Corona-Krise allerdings eine Chance. „Viele professionelle Spieler sind im Moment arbeitslos“, sagt Sportdirektor Fenner. „Für sie ist die Spielunterbrechung eine schwere Zeit. Einige versuchen, durch Lernvideos und Online-Seminare ihre Marke auszubauen.“ Die Bundesliga im Internet fortzuführen, sei keine Option. „Das gestaltet sich als schwierig. Bei den Internetmeisterschaften wird Blitzschach gespielt, die Spieler haben also kurze Bedenkzeiten. In Partien mit langen Bedenkzeiten können elektronische Hilfsmittel eingesetzt werden.“
Nur das Finale der Online-Meisterschaft ist ungewiss
Das Finale der Deutschen Internetmeisterschaften sollte auch ganz real in Magdeburg ausgetragen werden. Die Zwischenrunde am vergangenen Wochenende gewann Ilja Schneider aus Hannover. Der 35-Jährige ist damit einer von zwölf Qualifikanten für das Finale am 9. Mai. Aber sein Auftritt ist ungewiss: Hinter der geplanten Endrunde in einem Hotel stehen große Fragezeichen.
„Das Finale soll zusammen mit anderen Deutschen Meisterschaften im Rahmen eines Schachgipfels stattfinden“, sagt DSB-Geschäftsführer Fenner. „Angesichts der derzeitigen Situation erscheint der Gipfel zunehmend ungewiss. Wir arbeiten daher an einem Plan B, einem Alternativtermin für alle Meisterschaften, für den Fall, dass eine Austragung im Mai nicht möglich ist.“
Für die Internetmeisterschaft arbeitet der Deutsche Schachbund aber schon an einem Plan B. „Natürlich ist auch denkbar, dass die Finalteilnehmer von zuhause spielen“, sagt Geschäftsführer Fenner, „vielleicht gefilmt von Kameras.“