Aachen. Der 45-Jährige Marcus Ehning aus Borken führt in Aachen das deutsche Team an. Beim CHIO in der Soers fühlt er sich wie in seinem Wohnzimmer.

Als Marcus Ehning am Montag in der Aachener Soers sein Auto abstellte, begrüßte ihn der Parkplatzwächter mit Namen. Man kennt sich. Hinter dem französischen Begriff „Concours Hippique International Officiel“ und seiner Abkürzung CHIO Aachen verbirgt sich nicht nur das bedeutendste Reitturnier der Welt, es ist auch ein buntes Fest, zu dem sich einmal im Jahr die große Familie des Pferdesports trifft. Oder wie es Marcus Ehning ausdrückt: „Aachen ist mein Wohnzimmer.“ Hier fühlt er sich wohl. Am Dienstag wurde er beim Eröffnungsspringen mit seiner Stute Calanda als Dritter bester Deutscher.

Beste CHIO-Erinnerungen für Marcus Ehning

Wann er genau zum ersten Mal in diesem Wohnzimmer geritten ist, daran kann sich Ehning auf Anhieb gar nicht genau erinnern. Lange her. 20 oder 21 Jahre alt sei er gewesen, erzählt er. Dagegen sind die Bilder aus dem vergangenen Jahr beim CHIO für immer auf seiner geistigen Festplatte gespeichert. Erst führte der 45-Jährige als Schlussreiter die deutsche Equipe zum Sieg im Großen Preis der Nationen, dann triumphierte er beim Höhepunkt im Großen Preis der Stadt Aachen und sicherte sich das Preisgeld von 330.000 Euro.

Bundestrainer Otto Becker hat Ehning auch in diesem Jahr in die deutsche Equipe berufen. Aber selbst der erfahrene Ehning hat seinen Platz noch nicht ganz sicher für den Preis der Nationen am Donnerstag (20.15 Uhr/WDR). „Fünf Reiter sind nominiert, vier dürfen nur starten. Der Bundestrainer wird am Mittwoch entscheiden. Es kann ja auch ein Pferd mal nicht richtig fit sein“, sagt Ehning.

Großes Lob von Bundestrainer Becker

Vor einem Jahr beeindruckte Ehning nicht nur im Parcours. „Marcus ist unser Leitwolf. Auch wenn er ein eher leises Auftreten hat, gibt er unseren jungen Reitern unglaublichen Halt“, sagte Bundestrainer Otto Becker, der mit Ehning gemeinsam bei den Olympischen Spielen 2000 Gold im Teamwettbewerb gewonnen hatte. „Marcus hilft ihnen, sie hören auf das, was er sagt.“

In diesem Jahr kehren mit dem Marler Christian Ahlmann und dem Wiesbadener Daniel Deußer zwei ebenso erfahrene wie erfolgreiche Springreiter in die deutsche Equipe zurück, nachdem sie nach langem Gezerre die Athletenerklärung des nationalen Verbandes unterschrieben. In der geht es unter anderem um ein Behandlungsbuch, das die Reiter für ihre Pferde führen müssen.

Gänsehautgefühl beim CHIO in Aachen

„Mit den beiden sind wir noch stärker geworden“, freut sich Ehning. „Wir wollen auch am Donnerstag gewinnen.“ Weil Tout A Pret, mit dem Ehning 2018 triumphierte, nach einem Sturz noch nicht ganz fit ist, sattelt der Mann aus Borken diesmal Funky Fred. Wenn Ehning über die ganz besondere Atmosphäre in Aachen spricht, erzählt er von einem „Gänsehautgefühl, das man bekommt, wenn man von 40.000 Zuschauern angefeuert wird.“ Der Beifall sei gut für die Seele.

Empfinden die Pferde auch dieses spezielle Aachener Flair? Ehning schmunzelt und sagt dann: „Ich kann Funky Fred schlecht fragen, aber einige Pferde werden in Aachen plötzlich ganz schüchtern, andere einen halben Meter größer. Hier können nur Spitzenpferde bestehen.“ Züchterin des 14-jährigen Funky Fred ist Ehnings Mutter Hilde. Bei den Ehnings dreht sich in Borken alles um Pferde. Seine Frau Nadia war dreimalige Voltigier-Welt- und Europameisterin.

Wenn der Papa in Aachen um die großen Siege reitet, fiebern auch die vier Kinder mit. Das gibt Marcus Ehning Kraft. Und wenn er diesmal nicht gewinnt? „Dann sagen sie: Papa, ist nicht so schlimm“, erzählt er und fügt hinzu: „Das macht das Leben deutlich einfacher.“