Frankfurt/Main. Der Bundestrainer hat den drei Bayern-Stars noch einmal den Rauswurf erklärt. Seine Pläne nimmt er mit drei Neulingen in Angriff
Zu Beginn ruckelt Joachim Löw noch am Mikrofon, verschiebt er sein Glas. Erst muss er die Gedanken ordnen, bevor er am Freitag anfängt, die Entscheidung zu verteidigen, über die seit anderthalb Wochen hitzig diskutiert wird. Seitdem fest steht, dass Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng künftig nicht mehr für die Nationalelf nominiert werden.
„Ich habe die Entscheidung aus voller Überzeugung getroffen“, erklärt Löw, schaut dabei nach vorne, nutzt seine Arme und Hände, um den Worten mehr Gewicht zu verleihen. Natürlich habe er die Kritik an der Art und Weise der Ausbootung mitbekommen. Aber: „Ich finde es befremdend, wenn manche über Respekt und Wertschätzung urteilen, obwohl sie gar nicht beim Gespräch dabei waren.“
Hintertürchen bleibt offen
Es sind deutliche Worte in einem Jahr, das für einen Neustart stehen soll und doch wieder mit einer lauten Diskussion beginnt. Nur deswegen sitzt Löw überhaupt an diesem Freitag im Sepp-Herberger-Raum in der Frankfurter DFB-Zentrale. Normalerweise wäre der Kader für die Länderspiele gegen Serbien in Wolfsburg (20. März) und in der EM-Qualifikation gegen die Niederlande in Amsterdam (24. März) in einer Pressemitteilung bekannt gegeben worden.
Jetzt aber will sich der Bundestrainer erklären. Weniger weil in den kommenden Partien die Neulinge Maximilian Eggestein (22/Werder Bremen), Niklas Stark (23/Hertha BSC) und Lukas Klostermann (22/RB Leipzig) mitmischen werden. Sondern vor allem, weil das, was ein Befreiungsschlag werden sollte, eher so filigran war wie der Punch eines Kirmesboxers.
Der Aufschrei der Empörung hallt nach
Denn noch immer hallt der Aufschrei nach der Demission des Bayern-Trios nach. Vor allem Müller und Hummels beklagten sich. Mittlerweile habe er aber mit allen noch mal telefoniert, sagt Löw, das Verhältnis sei in Ordnung. Trotzdem: „Ich habe ihnen gesagt, dass ich die Qualifikation und die EM ohne sie plane.“ Alles andere „wäre ein Eiertanz gewesen. Das wäre auch nicht fair gewesen. Wir haben sie aber auch nicht aus der Nationalmannschaft verbannt. Sie haben ja auch nichts verbrochen.“ Eine Rückkehr der 2014er Weltmeister wollte er dann aber nicht endgültig ausschließen. „Das sind alles hypothetische Dinge.“
Die Entscheidung hatte Löw nur mit seinem Trainerteam und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff besprochen, damit nichts nach außen dringt. Selbst DFB-Präsident Reinhard Grindel erfuhr erst am Tag der Entscheidung am Telefon durch Bierhoff von der Ausbootung. Löw: „Ich wollte es unbedingt persönlich mitteilen.“
Jetzt also der Neuanfang. Im 23-Mann-Kader sind nur noch zwei Akteure, die in den 80er-Jahren geboren wurden: Marco Reus (1989) und Manuel Neuer (1986). Der Kapitän solle weiterhin als Nummer eins im Tor stehen, auch wenn sich Marc-André ter Stegen beim FC Barcelona zu einem Weltklasse-Torhüter entwickelt habe, sagt Löw. Generell sieht der Bundestrainer nach dem blamablen WM-Aus 2018 und dem Abstieg aus der Nations League die Zeit gekommen, in der die jungen Spieler nun „noch mehr zeigen, dass sie Stammspieler und Führungsspieler sein wollen“.
Mehr Dynamik, mehr Zielstrebigkeit
Kandidaten dafür sind Joshua Kimmich und Leon Goretzka. Auch Serge Gnabry zeigte beim 1:3 des FC Bayern im Achtelfinale der Champions League gegen den FC Liverpool, dass ihm in der Offensive die Zukunft gehören kann. Weil er das auf den Platz brachte, was Löw fordert: „Wir brauchen mehr Dynamik, mehr Zielstrebigkeit, mehr Tempo. Die Spieler müssen handlungsschneller werden.“
Am Montag trifft sich die Nationalmannschaft in Wolfsburg. „Jetzt braucht es Veränderungen“, sagt Löw. Der Neuanfang beginnt.