Norwich. Daniel Farke trainierte einst die U23 des BVB und ist jetzt mit Norwich City auf dem Weg in die Premier League. Ein Interview über seinen Höhenflug und Jürgen Klopp.

Im Schatten von Jürgen Klopp sorgt mit Daniel Farke ein weiterer deutscher Trainer in England für Furore. Mit Norwich City schreibt der gebürtige Ostwestfale gerade ein kleines Fußball-Märchen und klopft dank reichlich Bundesliga-Know-How an die Tür zur Premier League. Daniel Farke spricht im Interview über seine steile Karriere, Türöffner Klopp und die Zukunftplanung.

Daniel Farke, vor zwei Jahren spielten Sie als Trainer von Dortmunds zweiter Mannschaft noch in der Regionalliga gegen Vereine wie den FC Kray und SC Verl. Nun könnte es schon bald gegen ManCity und Pep Guardiola gehen - ein Märchen?

Daniel Farke: Der Aufstieg in die Premier League würde einer Sensation gleichkommen. Aktuell hat man das Gefühl, dass die Kanarienvögel ("Canaries") wirklich fliegen. Und wenn wir am Ende der Saison aufsteigen sollten, dann gibt es hier eine wochenlange grün-gelbe Party. Darauf hätten wir alle schon große Lust - keine Frage. Aber, das darf nicht vergessen werden: Norwich City hat drei schwierige Jahre hinter sich. Wir können einschätzen, wo wir herkommen. Ein Aufstieg unter diesen Voraussetzungen käme komplett unerwartet und wäre wirklich außergewöhnlich.

Wie fühlt sich der enorme sportliche Höhenflug für Sie ganz persönlich an?

Daniel Farke: Als Trainer wächst man mit seinen Aufgaben. Ich bin nach meiner aktiven Zeit mittlerweile seit zehn Jahren als Trainer tätig, habe in der vierten Liga, bei BVB II angefangen und dann eng mit Thomas Tuchel bei den Profis zusammengearbeitet. Man ist nun weder aufgeregt oder gar nervös, weil man nächstes Jahr Premier League spielen könnte. Spiele gegen Arsenal oder den FC Chelsea im FA-Cup gehören hier zum Tagesgeschäft. Und in der Championship spielt man alle drei Tage gegen Hausnummern wie Leeds, Aston Villa, Middlesbrough oder Sheffield vor 40.000 Zuschauern. Auch wenn es gerade eine tolle Phase ist: Ich bin vorbereitet, auf Topniveau zu arbeiten und bin es mittlerweile gewohnt.

In England sind Sie in aller Munde, in Deutschland lief das Thema Norwich bislang eher unter dem Radar. Stört Sie das?

Daniel Farke: Nein, überhaupt nicht. Das Interesse an Norwich in England ist riesig. Die Ausmaße, die die Berichterstattung hier annimmt, kann man mit der von Top-Bundesligisten wie Bayern München oder Borussia Dortmund vergleichen. Deswegen denke ich über unser Medienecho in Deutschland gar nicht nach. Ich habe genug zu tun, glauben Sie mir.

In der letzten Saison landete Norwich auf Platz 14, nun liegt der Klub ohne große Stars auf Aufstiegskurs. Wie lautet Ihr Erfolgsgeheimnis?

Daniel Farke: Klar, wenn man in dieser Saisonphase noch da oben steht, müssen viele Faktoren zusammenkommen. Das ist kein Zufall. Die Balance aus jungen und erfahrenen Spielern stimmt bei uns einfach. Wir spielen beispielsweise mit der wohl jüngsten Viererkette und den jüngsten Außenspielern in ganz Westeuropa. Und wir haben Spieler, die einfach sehr konstant ihre Leistung abrufen. Hinzu kommt ein hoher interner Konkurrenzkampf, verbunden mit einem enormen Teamgeist. Auf dem Feld setzen die Jungs das sehr gut um, was wir ihnen vorgeben, nämlich viel Ballbesitz und eine extreme Dominanz.

Viele aktuelle Stammspieler haben Sie für kleines Geld geholt. Zum Beispiel Onel Hernandez von Braunschweig oder Dennis Srbeny vom SC Paderborn. Wie kommt man auf solche Spieler?

Daniel Farke: Qualität, Charakter und die Bezahlbarkeit - das ist uns ganz wichtig. Wir schauen auch immer nach einheimischen Spielern, sogenannten "Homegrown-Players", die die Kultur kennen und keine Eingewöhnungszeit brauchen. Der Markt dafür ist aktuell allerdings überhitzt, deshalb müssen wir kreativ sein. Da hilft es, wenn man sich auf dem europäischen Markt gut auskennt - wie ich mich in Deutschland. Da haben wir im Sommer eine gute Auswahl getroffen.

Damit arbeiten Sie gewissermaßen gegen das System in England. Während die Top-Teams in der Premier League Milliarden verprassen, hat ihr Klub in den letzten 18 Monaten mehr als 60 Millionen Euro Transferüberschuss erzielt. Das ist erstaunlich.

Daniel Farke: Wir haben keine andere Wahl. Wir haben eine Eigentümerfamilie, die den Klub seit fast 30 Jahren besitzt und ihn mit unfassbar viel Leidenschaft familiär und warmherzig führt. Unsere Eigentümer sind sehr bodenständig und schmeißen nicht mit Geld um sich. Wir geben keine zehn Millionen Pfund für einen Spieler aus, sondern scouten gut. Das Ergebnis sind dann Spieler wie Emil Buendia, die sich hervorragend entwickeln. Ich habe mich bewusst dafür entschieden. Norwich geht diesen Weg - und ich bin davon überzeugt.

Sie haben viele deutsche Spieler in den letzten anderthalb Jahren geholt. Wie groß ist deren Anteil, dass es aktuell so gut läuft? Wie deutsch ist der Erfolg in Norwich?

Daniel Farke: Die Qualität der Spieler ist wichtig, der Reisepass spielt dabei überhaupt gar keine Rolle. Für uns ist es entscheidend, dass sich die Jungs komplett mit dem Klub und unserer Spielweise identifizieren. Natürlich wird unter den deutschen Spielern auch mal in der Muttersprache ein bisschen gefachsimpelt. Aber grundsätzlich wird bei uns auf dem Trainingsplatz und in der Kabine nur englisch gesprochen. Wir sind ein englischer Klub und geprägt von unserer Historie.

Klopp, Farke, Wagner, Stendel, Siewert: England hat augenscheinlich ein Faible für deutsche Trainer. Wie kommt es, dass Coaches made in Germany auf der Insel so beliebt sind?

Daniel Farke: Die deutsche Trainerausbildung ist einfach gut. Sie ist international auf einem Top-Niveau angesiedelt und wird sehr, sehr hochklassig bewertet. Und so gibt es in den letzten Jahren die Tendenz, sich auch auf dem deutschen Markt zu orientieren. Und natürlich ist dann auch der Erfolg von Jürgen Klopp ein Türöffner. Er zeigt, dass ein deutscher Trainer einfach sehr gute Arbeit abliefert.

Auffällig ist die Rolle, die Borussia Dortmund dabei spielt. Nach David Wagner und Ihnen ist Jan Siewert bereits der dritte Trainer, der vom BVB nach England gewechselt ist. Dortmund als Trainerschmiede für die Briten?

Daniel Farke: Bei Huddersfield kann man schon beobachten, dass man sich wohl gesagt hat: 'Mit David Wagner sind wir gut gefahren, nun holen wir wieder einen aus Dortmund - Jan Siewert.' Bei mir war die BVB-Vergangenheit aber reiner Zufall. Und Jürgen Klopp? Das ist einfach ein genialer Trainer.

Haben Sie Kontakt nach Liverpool zu Klopp?

Daniel Farke: Aktuell nicht. Da bleibt im Tagesgeschäft wegen der vielen Spiele kaum Zeit für. Jürgen schaut oft nach Norwich und verfolgt unseren Weg extrem, weil bei uns mit Moritz Leitner, Marco Stiepermann und Felix Passlack auch Jungs spielen, die er mal trainiert hat. Wir drücken uns beide auf jeden Fall die Daumen, da bin ich mir sicher, aber einen Kaffee nebenbei lässt der Spielplan einfach nicht zu. Wir sind beide voll ausgelastet.

Sehen Sie ihn als Vorbild?

Daniel Farke: Wenn man auf diesem Niveau arbeitet, dann ist es bei keinem Trainer so, dass man da von Vorbildern oder so etwas spricht. Natürlich ist Jürgen Klopp ein außergewöhnlicher Trainer, der sehr speziell und einzigartig in seiner Art und Weise ist. Er hatte eine unfassbar erfolgreiche Zeit in Deutschland und knüpft dort in Liverpool nahtlos an. Das freut mich total. Ich bin voller Respekt, weil er einfach sehr viel erreicht hat. Deswegen bin ich auch weit davon entfernt, mich mit ihm vergleichen zu können und zu dürfen.

Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Wie sehen Ihre Planungen aus?

Daniel Farke: Aktuell bin ich einfach froh, hier zu sein und fühle mich pudelwohl. Ich genieße die Zeit, und dann schauen wir mal, was passiert.

Gibt es ein konkretes Datum, bis wann Sie ihre Zukunft geklärt haben wollen?

Daniel Farke: Nein. Bisher hatte ich immer das Glück, meine Verträge erfüllen zu dürfen. Wenn ich mich für etwas entscheide, dann mache ich das aus tiefer Überzeugung. Eine Entscheidung wird es auf jeden Fall geben, aber eine Deadline gibt es nicht.

Klingt nach Abschied?

Daniel Farke: Nein, gar nicht. Ich bin momentan einfach sehr glücklich hier, alles ist gut.

Wo wir schon beim Blick in die Zukunft sind: Was machen sie am Abend des 5. Mai (letztes Saisonspiel gegen Aston Villa)?

Daniel Farke: Erstmal durchschnaufen.

Und dann den Aufstieg feiern?

Daniel Farke: Wir sind da ganz entspannt. Wir befinden uns momentan in einer Position, in der wirklich alles passieren kann. Wir wissen aber auch, dass wir trotz unserer brillanten Ausgangssituation noch immer Außenseiter in dem Rennen um Aufstiegs- und Play-off-Plätze sind. Klar ist aber auch: Wir sind gierig und wollen das Maximale erreichen.