Essen. Hans Tilkowski zum Tode der englischen Torwartlegende Gordon Banks: “Er war ein großartiger Torwart, aber noch großartiger war er als Mensch.“
Hans Tilkowski ist schockiert, als er die Nachricht vernimmt. Gordon Banks ist tot. Der Mann, der damals im Londoner Wembleystadion auf der anderen Seite stand – im bedeutendsten Fußballspiel ihres Lebens. Im legendären Finale der Weltmeisterschaft 1966, das England gegen Deutschland mit 4:2 nach Verlängerung gewann. Hans Tilkowski, der deutsche Nationaltorhüter, kassierte den umstrittensten Treffer der Fußball-Geschichte, das „dritte Tor von Wembley“. Und Gordon Banks, der englische Nationaltorhüter, wurde Weltmeister.
„Er war ein großartiger Torwart, aber noch großartiger war er als Mensch“, sagt Hans Tilkowski. „Umso trauriger bin ich jetzt.“
Gordon Banks: „Ein Held, der fliegen konnte“
Gordon Banks, der 2015 an Nierenkrebs erkrankt war, wurde 81 Jahre alt. „Banks of England“ wurde er ehrfürchtig genannt, Bestseller-Autor Don Mullan verehrte ihn in einem Romantitel als „Ein Held, der fliegen konnte“. Gordon Banks vereinte Fangsicherheit und Flugkunst – ein weltweit geschätzter Könner, ein kompletter Torhüter.
Hans Tilkowski und Gordon Banks sind sich im Laufe der Jahre noch oft begegnet. Der Herner, der 1966 mit Borussia Dortmund den Europapokal der Landesmeister gewann, schwärmt von diesen Treffen. „Auf dem Rasen waren wir Rivalen, aber der gegenseitige Respekt war immer da. So sind wir Freunde geworden. Wir haben nicht nur über Fair Play geredet, wir haben Fair Play gelebt. Was mir bei Gordon Banks besonders imponiert hat: Er war trotz seiner großen Leistungen immer zurückhaltend.“
Auch Pele verzweifelte an Gordon Banks
Bescheiden reagierte er sogar, wenn er auf die spektakulärste Parade seiner Karriere angesprochen wurde. 1970 bei der Weltmeisterschaft in Mexiko verlor England das Vorrundenspiel gegen den späteren Weltmeister Brasilien zwar mit 0:1, Gordon Banks aber trieb in jenem Spiel den damals weltbesten Fußballer zur Verzweiflung: Der große Pele stieg nach einer Flanke von Jairzinho hoch, stand in der Luft, steuerte den Ball mit der Stirn per Aufsetzer aufs Tor – scheinbar unhaltbar. Doch Gordon Banks tauchte ab, riss im Fallen die Arme hoch und wehrte den Ball zur Ecke ab. Eine Weltklasse-Aktion, die Gordon Banks so kommentierte: „Als ich aufblickte und der Ball hinter dem Tor hüpfte, dachte ich nur: Banksy, du glücklicher Trottel!“ Und Pele erzählte später augenzwinkernd: „Ich habe in meinem Leben mehr als 1000 Tore erzielt. Aber bis heute werde ich nur auf jenen Treffer angesprochen, den ich nicht erzielt habe.“ Mit diesen Worten verneigte er sich natürlich vor Gordon Banks.
Ein deutsches Kapitel
Die Fußball-Geschichte dieses Mannes, der für Leicester City und für Stoke City spielte, hat auch ein deutsches Kapitel. Als er 1957 bei der britischen Rheinarmee in Niedersachsen stationiert war, lernte er dort seine spätere Ehefrau Ursula kennen – und er spielte im Tor des SV Viktoria Königslutter. 2013 durfte sich dieser Verein sehr geehrt fühlen: Zum 100-jährigen Jubiläum kam Gordon Banks höchstpersönlich zu Besuch. Und sagte: „Wer weiß, wie meine Karriere verlaufen wäre, wenn ich damals nicht die Chance bekommen hätte, während meiner Stationierung weiter Fußball zu spielen. Vielleicht hätte ich dann schon meine Schuhe an den Nagel gehängt.“
Vielleicht wäre Peles Kopfball dann im Tor gelandet. Und vielleicht wäre England ohne seinen Rückhalt nicht Weltmeister geworden.