Essen. Bochum spielt erfolgreich und attraktiv wie lange nicht. Der Aufstieg ist beim VfL in dieser Saison dennoch kein Thema
Seit kurzer Zeit füllt Robin Dutt eine Seite im sozialen Netzwerk „Instagram“. Der Trainer des Fußball-Zweitligisten VfL Bochum postet dort Bilder vom Trainingsplatz, vom Bergbaumuseum oder von Tannenzapfen, die er wie taktische Spielfiguren im Schnee angeordnet hat. Dutt präsentiert sich dort so, wie sich der VfL auch als Gesamtverein gerade darstellt: ruhig, sympathisch, da gibt’s was zu sehen. „Der VfL und die Stadt Bochum entsprechen meinem Naturell“, sagt der 53-Jährige, der im Fußball schon viel herumgekommen ist.
Es ist erst ein Jahr her, dass der VfL Bochum unter Sportvorstand Christian Hochstätter und Trainer Jens Rasiejewski zerstritten dem Abstieg in die 3. Liga entgegen taumelte. Anfang Februar 2018 spielte die Mannschaft schlecht, die Fans mieden den Gang ins Ruhrstadion. Im letzten Moment entschied der VfL-Aufsichtsrat, die komplette Spitze auszutauschen – und das gerade noch rechtzeitig.
Saisonübergreifend 49 Punkte für den VfL
Denn am 12. Februar übernahm Dutt gemeinsam mit Hochstätter-Nachfolger Sebastian Schindzielorz, später kam Ilja Kaenzig als Sprecher der Geschäftsführung hinzu. Seitdem ist Erstaunliches passiert. In 30 Zweitligaspielen unter Dutt sammelte der VfL Bochum saisonübergreifend 49 Punkte, verlor nur sieben Partien.
Die vergangene Saison schloss der VfL noch als Sechster ab, in der Winterpause der aktuellen Saison steht er auf Platz acht. Mit dem Abstieg hat der VfL nichts zu tun, der gezeigte Fußball ist der attraktivste seit vielen Jahren. Von der Bundesliga singen die Fans trotzdem nicht – sie sind nach den Chaos-Jahren demütig geworden.
Aufregende Zeiten für den VfL Bochum
Doch so sehr die Fans und die Spieler gerade die Winterruhe genießen – so aufregend sind die Wochen für die Vereinsbosse. Ruhe kann sich dort niemand leisten. Denn die großen Ambitionen sind zurückgekehrt. „Unser Ziel ist es, zu den Top 25 in Deutschland zu gehören“, sagt Robin Dutt – und Ilja Kaenzig ergänzt: „Diese Zielsetzung beinhaltet explizit die Bundesliga-Zugehörigkeit.“
In der aktuellen Saison sind die Aufstiegsplätze durch die übermächtigen Bundesliga-Absteiger Hamburger SV und 1. FC Köln besetzt. Maximal der dritte Platz ist für die übrigen Aufstiegskandidaten realistisch – und über die Relegation schaffte zuletzt 2012 ein Zweitligist den Sprung nach ganz oben – Fortuna Düsseldorf.
Viel wahrscheinlicher ist deshalb, dass Bochum in der kommenden Saison den nächsten Anlauf nehmen wird. Schindzielorz arbeitet schon fleißig am Aufgebot. Elf Verträge laufen aus, darunter die der Stammspieler Lukas Hinterseer, Robbie Kruse, Tom Weilandt, Sidney Sam und Jan Gyamerah. Abschlüsse verkündet Schindzielorz momentan regelmäßig: So verlängerte Abwehrchef Tim Hoogland seinen Vertrag Anfang Januar um ein Jahr, für die Rückrunde holte der VfL Dominik Baumgartner (FC Wacker Innsbruck) sowie Simon Zoller (1. FC Köln).
Der VfL als Gegenentwurf
Auch Kaenzig ist fleißig, er bastelt am Vereinsmarketing. In einem „Bild“-Interview bezeichnete er den VfL als „ewigen Gegenentwurf zur grellen Fußball-Epoche aus Glamour, Geld und Entertainment“. Der VfL würde „Volkssport repräsentieren“ – im Gegensatz zu den „Unterhaltungskonzernen“ Borussia Dortmund und Schalke 04. Einen Investor für die inzwischen ausgegliederte Profiabteilung hat der VfL aber trotz dieser Beschreibung noch nicht gefunden.
Während Schindzielorz und Kaenzig schon an die Zukunft denken müssen, steht Dutt unaufgeregt Tag für Tag auf dem Trainingsplatz und kann ohne Druck seiner Arbeit nachgehen. Der Vertrag des Bochumer Trainers wird in dieser Saison nicht am Aufstieg gemessen.
Nach der 0:2-Niederlage beim Mitkonkurrenten Union Berlin kurz vor Weihnachten fasste Dutt die Hinrunde des Tabellenachten so zusammen: „Die Angst vor dem Abstieg ist zu einer Angst vor dem Nichtaufstieg geworden.“ Das klingt nicht nett, doch Dutt ergänzte: „Das empfinde ich als großes Kompliment.“ Denn in Bochum – da gibt‘s wieder was zu sehen.