Singapur. Die Wimbledonsiegerin entscheidet das Drei-Satz-Duell gegen Osaka für sich. Die Entscheidung über das Weiterkommen fällt am Freitag.
Es war ein Kraftakt, ein auszehrender Marathon über lange zweieinhalb Stunden. Aber nach dem nächsten WM-Krimi voller Turbulenzen und Spannungsmomente bleibt Wimbledon-Königin Angelique Kerber im großen Spiel um den letzten Titel dieser denkwürdigen Saison 2018: Mit dem schwer erkämpften 6:4, 5:7, 6:4-Sieg über US Open-Überraschungsgewinnerin Noami Osaka darf die Deutsche wieder auf einen Halbfinal-Platz beim Championat in Singapur hoffen. „Ich habe absolut alles gegeben, was möglich war“, sagte Kerber nach dem Thriller, in dem sie schon beim Stand von 6:4 und 5:4 einmal zum Sieg serviert hatte, dann aber noch einmal einen Umweg über einen dritten Entscheidungssatz nehmen musste. Kerber braucht im abschließenden Gruppenmatch gegen die Amerikanerin Sloane Stephens in jedem Fall einen Erfolg, am besten so deutlich wie möglich, nämlich in zwei Sätzen. Das zweite Gruppenspiel am Mittwoch zwischen Stephens und der Niederländerin Kiki Bertens konnte noch mehr Klarheit in die Qualifikationsfrage für das Halbfinale bringen, die Partie endete erst nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe.
Anders als in der abenteuerlichen Achterbahnfahrt gegen Bertens am Montag, als Kerber einen 1:0-Satzvorsprung noch unnötig verspielt hatte, zeigte die Weltranglisten-Zweite nun gegen Osaka deutlich mehr Standfestigkeit und Charakterstärke. Auch, als Osaka urplötzlich ihre Nervosität und Befangenheit abgelegt und einen fulminanten Zwischenspurt zum 1:1-Satzausgleich hingelegt hatte, erlebte die 30-jährige Kielerin keinen fatalen Einbruch und fightete mit wilder Leidenschaft um den dringend benötigten Sieg. „Es tut richtig gut, so gewonnen zu haben“, sagte Kerber hinterher, „ich musste ans Limit gehen, um im Turnier zu bleiben.“
Allerdings hatte Kerber im dritten Satz immer wieder kritische Situationen zu überstehen, mehr als einmal drohte ihr der bittere und womöglich schon vorentscheidende Aufschlagverlust. Doch mit intakter Moral und mit schnellen Füßen auch am Ende dieses grimmigen Abnutzungskampfes entnervte Kerber die Japanerin, holte sich selbst zum 4:3 das wichtige Break. Und diesen Vorsprung verteidigte sie zwar mühsam, aber nicht mehr entscheidend gefährdet bis ins Ziel. „Es waren nur ein paar Punkte hier und da, die die Entscheidung gebracht haben“, sagte Kerber, die sich gut erholt von der Auftaktniederlage gegen die WM-Debütantin Bertens zeigte.
Kerber schaltete als Trainerin in eigener Sache auch in den richtigen Momenten taktisch um, bewahrte sich als selbstbewußte Strategin damit ihre WM-Möglichkeiten. Nach dem Zwischentief Ende des zweiten und Anfang des dritten Satzes operierte die Wimbledonsiegerin auf der Zielgeraden des Matches wieder deutlich offensiver und zupackender – es war die unabdingbare Grundlage für den Sieg. „Ich wußte: Ich muss diesen Erfolg aktiv heraussspielen“, sagte Kerber später. Im Gegensatz zu Osaka, die ihren Coach Sascha Bajin zwei Mal auf den Centre Court der Singapore Indoor Arena beorderte, ließ Kerber ihren Aushilfstrainer Andre Wiesler aus Bad Nauheim in der Ehrenloge sitzen bleiben – vielleicht auch ein demonstrativer Akt, um zu zeigen, dass sie auch selbst klar kommt mit der schwierigen, kritischen WM-Herausforderung.