Gelsenkirchen. . 150 Meter entfernt von dem Ort, an dem vor wenigen Wochen in Dortmund der Bombenanschlag auf die Mannschaft des BVB verübt wurde, hat Werner Hansch ein Büro. Am Tag nach dem Attentat wurde ihm der Weg dorthin versperrt. Zwei junge Polizisten begleiteten ihn bis zur Tür, und plötzlich sagte einer der Beamten: „Haben Sie nicht Fifa ‘98 gesprochen?“ Er kannte die Stimme noch von diesem Computerspiel-Klassiker, Werner Hansch muss lachen. „So etwas passiert mir öfter“, erzählt er. „Die Stimme war immer mein Markenzeichen.“
150 Meter entfernt von dem Ort, an dem vor wenigen Wochen in Dortmund der Bombenanschlag auf die Mannschaft des BVB verübt wurde, hat Werner Hansch ein Büro. Am Tag nach dem Attentat wurde ihm der Weg dorthin versperrt. Zwei junge Polizisten begleiteten ihn bis zur Tür, und plötzlich sagte einer der Beamten: „Haben Sie nicht Fifa ‘98 gesprochen?“ Er kannte die Stimme noch von diesem Computerspiel-Klassiker, Werner Hansch muss lachen. „So etwas passiert mir öfter“, erzählt er. „Die Stimme war immer mein Markenzeichen.“
Kurioser Beginn als Stadionsprecher
Am späten Abend des 21. Mai 1997 setzte er diese Stimme zuerst gewohnt kraftvoll und kernig ein, dann aber nur noch warm und wohlbetont. Bis er sogar schwieg.
Der FC Schalke 04 hatte soeben im Finalrückspiel bei Inter Mailand als Außenseiter mit einem 4:2-Sieg nach Elfmeterschießen den Uefa-Pokal gewonnen, die Fans berauschten sich, und Werner Hansch, der für Leidenschaft bekannte Live-Reporter des übertragenden Fernsehsenders Sat.1, war ergriffen. „Ich wurde besinnlich“, sagt er, „ich habe mich einfach mal zurückgenommen. Ich habe damals gemerkt, dass sich für mich ein Lebenskreis schloss – knapp 25 Jahre, nachdem ich zum ersten Mal ein Mikrofon in die Hand nehmen musste.“ Er sagt tatsächlich „musste“, denn zu seinem ersten öffentlichen Einsatz beim Fußball war er gezwungen worden.
78 ist er inzwischen, auch 20 Jahre nach jenem großen Abend von Mailand erinnert er beim Treffen in „Charlys Schalker“, der Gaststätte neben der Geschäftsstelle, zuerst an seinen kuriosen Einstieg in die Fußballbranche. Werner Hansch, geboren in Recklinghausen und aufgewachsen in einem Bergarbeiterviertel des Stadtteils Süd, kommentierte zu Beginn der 70er-Jahre das Geschehen auf den westdeutschen Trabrennbahnen. Als der Gelsenkirchener Rennbahn-Geschäftsführer Hans Schneider, im Nebenjob Stadionsprecher in der Glückauf-Kampfbahn, im Februar 1973 verhindert war, musste Werner Hansch auf Schalke ran.
Noch heute fasst er sich an den Kopf, wenn er erzählt: „Ich war über 30 Jahre alt und hatte noch nie ein Bundesligaspiel gesehen.“
Ein Nichtschwimmer sprang also vom Zehnmeterturm. Wie der Debütant die Mannschaft vorlas, ist längst Kult: „Mit der Startnummer 1: Norbert Nigbur!“ Aber mit seiner Stimme wusste er vom ersten Tag an zu beeindrucken. Schalke behielt ihn.
Bis er als Fußball-Experte respektiert wurde, war es noch ein langer Weg. Wer nachts von Blumen träumt, wacht ja nicht morgens als Florist auf. Aus dem Stadionsprecher wurde zuerst ein Hörfunk-Reporter beim WDR, dann ein Sportschau-Reporter in der ARD, bevor er ab 1992 bei Sat.1 zur Legende aufstieg, weil er die übliche Fußballrhetorik bereicherte. Sätze wie „Die Bergleute trugen früher ‘n Arschleder bei solchen Rutschpartien“ oder spontane Ausrufe wie „Ein geiles Tor!“ machten ihn unverwechselbar, man pries ihn als Stimme des Ruhrgebiets.
Überraschende Nominierung
Auf Schalkes Finale in Mailand aber hatte er sich zunächst nicht eingestellt, nach dem hauseigenen Rhythmus hätte Jörg Wontorra für Sat.1 nominiert werden müssen.
Sender-Sportchef Reinhold Beckmann aber entschied sich für Hansch. Wontorra war schwer beleidigt, und Hansch spürte ungewohnten Druck: „Ich dachte: Wenn ich die Nummer in den Teich setze, schlagen sich einige Kollegen zu Hause auf die Schenkel.“
Vor dem Eingang zum Giuseppe-Meazza-Stadion saß ein Bettler. Werner Hansch hatte das Bedürfnis, ihm einen großen Lire-Schein in den Hut zu werfen. „Seltsam, aber das war für mich wie eine Erleichterung.“
Großes Lob von Beckmann
Werner Hansch lief an jenem Abend zur Hochform auf. Inter Mailand glich Schalkes 1:0 aus dem Hinspiel aus, die Verlängerung blieb torlos – „und dann kam das Elfmeterschießen, das an Dramatik nicht zu überbieten war“.
Dass Mailands Aron Winter verschoss, hatte Werner Hansch vorausgesagt („Der ist nicht gut drauf“), und als Marc Wilmots die Sensation perfekt machte, schallte die Begeisterung des Mannes am Mikro nur für ein paar Minuten in die Wohnzimmer. „Ich muss das jetzt erst mal verarbeiten, liebe Zuschauer“, sagte er dann – und ließ die Bilder sprechen.
„Normalerweise jubelst du in so einer Situation mit voller Trompete los“, erzählt er heute. „Ich habe die Schalker den Moment genießen lassen.“ Noch im Stadion verneigte sich sein Chef Reinhold Beckmann. „Er sagte mir: Du hast heute Fußball-Geschichte geschrieben.“
13,8 Millionen hatten zugeschaut, damals Sat.1-Bestwert.
Am Morgen danach saß Werner Hansch auf dem Rückflug kurzzeitig neben Rudi Assauer, dem Manager, dem er freundschaftlich verbunden blieb. „Über den Wolken sagte er zu mir: Ab morgen gilt meine ganze Arbeitskraft dem Bau der neuen Arena. Und vier Jahre später wurde sie eröffnet.“
Reise in die Vergangenheit
Die Arena, dieser Glas- und Stahl-Palast, symbolisiert die neue Zeit, in „Charlys Schalker“ sitzt an diesem Tag die Vergangenheit. Einige ältere Herren erkennen Werner Hansch sofort, höflich sprechen sie ihn an, höflich plaudert er mit ihnen. Kürzlich hat ihn mal jemand angebrüllt: „Ey, bis’ du nich’ der Werner Hansch?“ Er antwortete: „Nee, ich bin Heribert Faßbender.“
Die Stimme hat ihn dann doch verraten.