Essen/Berlin. . Bei Schalke 04 wurde Trainer Jens Keller im Herbst 2014 vom Hof gejagt. Jetzt steht er mit Union Berlin vor dem Aufstieg – auch weil er dazugelernt hat.
Jens Keller macht ein ernstes Gesicht. Der Trainer von Union Berlin legt die Stirn in diese typischen Jens-Keller-Falten und spricht über Stephan Fürstner. Dessen Vertrag beim Fußball-Zweitligisten wurde gerade bis 2018 verlängert. „Damit habe ich nichts zu tun“, sagt Keller, ohne eine Miene zu verziehen. „Ich wollte ihn nicht mehr haben, aber aufgrund der Option ist es einfach so.“ Erst als Pressesprecher Christian Arbeit neben ihm lacht, grinst auch Keller. Ein Scherz, natürlich.
Es ist nicht der erste und nicht der letzte Scherz, den Keller macht in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den 1. FC Nürnberg. Der Trainer präsentiert sich entspannt – wozu er nach dem Spiel noch mehr Grund hat. Die Berliner erkämpfen sich einen 1:0-Sieg und stehen nun auf dem ersten Platz der 2. Bundesliga, drei Punkte vor dem Relegationsrang und vier Zähler vor einem Nichtaufstiegsplatz. Mit dem Erfolg kommt eben Gelassenheit – doch die, die Keller regelmäßig beobachten, schwören, dass es auch andersherum ist, dass der Erfolg vor allem auch wegen der Gelassenheit des Trainers kommt.
Gereizt und wehleidig
Nicht immer wirkte Keller so ruhig und unaufgeregt wie derzeit in Berlin. Beim FC Schalke 04 war er vor allem zum Ende seiner Amtszeit oft gereizt und wehleidig, beklagte sich über die unfairen Journalisten, das unruhige Umfeld und viele andere Dinge, an denen er ja doch nichts ändern konnte. Als er im Oktober 2014 gehen musste, atmeten nicht wenige tief durch – und Keller wurden einige unfreundliche Sätze hinterhergeworfen, die auf mangelnde Trainingsintensität und unglücklichen Umgang mit den Stars schließen ließen. Und fußballerisch war schon lange keine Weiterentwicklung mehr erkennbar, Schalkes Spiel wirkte uninspiriert und verließ sich auf einzelne Geistesblitze von Könnern. Keller, den Horst Heldt vom B-Jugend- zum Cheftrainer beförderte hatte, nutzte seine Chance nicht. Aber nach ihm wurde es nicht besser, Keller ist der bislang letzte Trainer, der Schalke in die Champions League führte – zweimal in Folge.
Seine dritte Station im Profifußball nach dem VfB Stuttgart und Schalke ist seine bislang erfolgreichste. Mit Union Berlin, wo er im Sommer begann, bricht er einen Vereinsrekord nach dem anderen, der Sieg gegen Nürnberg war der sechste nacheinander. „Ich rede nicht über Serien, das interessiert uns überhaupt nicht“, sagt Keller dazu. Die Zeit auf Schalke hat ihn gelehrt, die Dinge hinzunehmen, die er eh nicht ändern kann. Motto: Ich habe Schalke überstanden, mir kann nichts mehr passieren. Diese Ruhe überträgt sich auf die Mannschaft, gegen Nürnberg spielte sie nicht schön – aber in der ruhigen Gewissheit, irgendwann ihr Tor zu machen. „Die Spieler wissen, was sie können“, sagt der Trainer dazu.
Gemütlich in der Nische
Vor Keller hatte der Verein es sich etwas zu gemütlich gemacht in seiner Nische, als solider Zweitligaklub, der etwas anders, etwas weniger kommerziell ist als die anderen. „Im Verein sind die Leute lange mit wenig zufrieden gewesen“, sagte der Trainer im Interview mit dem Fußballmagazin 11Freunde. Keller hat es ihnen ausgetrieben, zusammen mit seinem Co-Trainer Henrik Pedersen, den er erst vor einem Jahr im Urlaub kennenlernte. Gemeinsam haben die beiden eine verschworene Einheit geschaffen. Vor der Saison bot Keller seinen Spielern sogar das Du an. Die Botschaft: Ich bin einer von euch.
Den Draht zur Mannschaft hat er schnell gefunden, das zeigt der sportliche Erfolg. „Wir schauen nicht auf die Tabelle, wir müssen einfach Leistung bringen“, sagt er dazu. Das kann man langweilig finden. Für Keller ist es logisch. Es gehört zu seiner neuen Gelassenheit.