Essen. . Vom deutschen Basketballer Paul Zipser wurde in der NBA nicht viel erwartet. Mittlerweile ist der 23-Jährige vom FC Bayern Stammspieler bei Chicago Bulls.

Aschenputtel trägt Schuhgröße 49 und blickt zufrieden auf die vergangenen Wochen zurück. Denn Paul Zipser hat es geschafft: Er ist neben den etablierten Dirk Nowitzki und Dennis Schröder der dritte deutsche Basketballer in der Profiliga NBA. Und er lässt amerikanische Journalisten wiederholt die „Cinderella-Story“ erzählen, das Märchen vom Aschenputtel. So nennt man in den USA Geschichten über Sportler, die Größeres erreicht haben, als ihnen zugetraut wurde.

Rückblick: Es ist der 6. November 2016, die Chicago Bulls verlieren 94:111 bei den Indiana Pacers. Nach dem Spiel sitzt ein frustrierter Paul Zipser in der Gästekabine. Er hat sieben Minuten gespielt, in dieser Zeit aber keine Punkte erzielt. Nicht einmal auf den Korb geworfen hatte der Deutsche, stattdessen hatte er den Ball artig gepasst, wenn er mal angespielt wurde. „Es ist verdammt schwer, hier den Ball zu bekommen“, sagt er im fahlen Neonlicht im Gespräch mit dieser Zeitung. „Alle Ersatzspieler wollen ihre Chancen nutzen. Dann spielt man in diesen Schlussminuten nicht wirklich zusammen, sondern will sich beweisen.“

Mehrmals in der Startformation

Die Saison ist zu diesem Zeitpunkt sechs Spiele alt, und Paul Zipser scheint es im ersten Saisondrittel so zu ergehen wie manch anderem deutschen Talent auch, das es in die NBA geschafft hat. Ein bisschen Spielzeit, wenn die Partie längst entschieden ist, hin und wieder Ausflüge in die Entwicklungsliga D-League. In den Jahren zuvor war es auch Tibor Pleiß, Elias Harris und Tim Ohlbrecht so ergangen. Alle spielten nicht lange in der weltbesten Liga. Auch Paul Zipser, im Sommer 2016 als 22-Jähriger ohne US-Spielerfahrung beim Draft, der Talentziehung der NBA, an 48. Stelle von den Chicago Bulls gewählt, scheint diesen Weg anfangs einzuschlagen.

Gegenwart: Paul Zipser sitzt auf der Couch in seinem Apartment in Chicago, als er mit dieser Zeitung telefoniert. Eine Knöchelverletzung setzt ihn derzeit außer Gefecht, aber die vergangenen Wochen waren erfolgreiche für ihn. Äußerst erfolgreiche. Zipser hat gespielt. Mehrmals in der Startformation. Mehrfach über 30 Minuten. Zipser hat gepunktet. Mit seinem energischen Zug zum Korb. Mit seinem sicheren Wurf jenseits der Dreierlinie. Mit den Fertigkeiten, die ihn schon in der Bundesliga beim FC Bayern ausgezeichnet hatten. 14 Punkte gegen die Miami Heat sind bisher sein Bestwert.

„Die Jungs haben gemerkt, dass ich etwas damit anfangen kann, wenn ich den Ball bekomme. Das ist ein Prozess, keine Frage“, sagt Zipser. Mit Fleiß und Geduld gelang ihm im Januar der Durchbruch. „Ich habe auf meine Chance gewartet und als die kam, habe ich bewiesen, dass ich bereit bin.“

Plötzlich ist dieser Paul Zipser aus Heidelberg also Stammspieler der Chicago Bulls, dem Team, mit dem der legendäre Michael Jordan in den 90er-Jahren sechs Meisterschaften gewann. Er spielt an der Seite von Dwyane Wade, den er als Jugendlicher bewunderte. Ein Traum? „Ich denke nicht dauernd: Wow, ich spiele mit Dwyane Wade zusammen. Alle kommen von unten, alle haben sich hochgearbeitet. Da hat mir auch der Sommer mit Dirk Nowitzki bei der EM 2015 sehr geholfen. Dass man einfach erkennt, dass es ganz normale Menschen sind, die einfach guten Basketball spielen“, sagt Zipser. „Ich muss mich jetzt nicht immer noch die ganze Zeit kneifen.“

Manchmal selbst noch Tourist

Er ist nicht so routiniert wie Dirk Nowitzki. Kein Lautsprecher wie Dennis Schröder. Paul Zipser ist eher nüchtern, sehr bedacht in seiner Wortwahl und zielorientiert. Einer, der lieber Taten sprechen lässt als mit großen Worten zu jonglieren. Der bei Auswärtsspielen selbst die Umgebung erkundet statt im Hotel auf die nächste Partie zu warten. „Überall wo es Tradition gibt oder einfach eine schöne Stadt, da will ich einfach mal raus und mir das angucken.“ Dabei passiert es mittlerweile immer häufiger, dass er erkannt wird. Zipser: „Oft sind es kurze Gespräche mit den Fans, ab und zu ein Foto oder ein Autogramm. In Restaurants wird man häufiger angesprochen: ,Hey, spielst Du nicht bei den Bulls?’ Das schmeichelt, das muss ich schon zugeben.“