Essen. . Stefanie Rennoch ist die Nummer eins der deutschen Frauen. Auch sie verfolgt die WM in London – durchaus kritisch.

Stefanie Rennoch ist Deutschlands beste Darts-Spielerin. Derzeit blickt aber auch Sie mehr auf den TV-Bildschirm als selbst auf die Scheibe zu werfen. Ein Gespräch über die WM in London, das Zweitrunden-Duell von Max Hopp am Mittwoch (14 Uhr/Sport1), grölende Fans und den Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Spielern.

Frau Rennoch, sitzen Sie wie Millionen Deutsche auch abends vor dem Fernseher und verfolgen die Darts-WM in London?

Stefanie Rennoch: Wenn ich kann, gucke ich die Übertragung auf jeden Fall. Es ist ja schon beeindruckend zu sehen, wie die Profis da so konstant zielsicher auf die Scheibe werfen. Und heute werde ich unserem deutschen Starter Max Hopp die Daumen drücken. Was er ins seinem ersten Spiel gegen den Niederländer Vincent van der Voort gezeigt hat, war stark. Man sieht also, dass es auch im deutschen Darts-Sport eine große Entwicklung gibt.

Spielt am Mittwoch um den Achtelfinaleinzug: Max Hopp. Foto: dpa Was trauen Sie Max Hopp noch zu?

Rennoch: Ich traue ihm viel zu, er ist der frühere Junioren-Weltmeister. Aber ich weiß auch, dass sein Gegner Kim Huybrechts eine Riesen-Nummer ist. Ich drücke ihm auf jeden Fall die Daumen für den Sieg und den Achtelfinal-Einzug. Für seine 20 Jahre ist Max in diesem Sport schon sehr weit und auch sein Auftritt vor den Medien ist beeindruckend. Ich selbst habe ihn leider länger nicht mehr persönlich gesehen, aber es kommt immer mal wieder vor, dass man sich auf Wettbewerben über den Weg läuft.

Wie finden Sie die WM eigentlich? Ist das ganze Drumherum, diese Mischung aus Oktoberfest und Karneval im Alexander Palace, gut für den Sport? Oder schadet es sogar?

Rennoch: Was die Zuschauer mit der Kostümierung und der Party auf den Rängen angeht: Ich persönlich finde es nicht so schön. Diese ganze Party und Gesaufe im Hintergrund rückt leider alles etwas ins falsche Bild. Bei unseren Wettbewerben in Deutschland feuern wir uns auch an, aber ohne Kostüme (lacht). Ich denke, dass sich die meisten der Anwesenden dort weniger für den Sport als für die große Feier interessieren. Umso mehr habe ich Respekt für die Spieler, die bei diesem Lärm so konzentriert spielen und so hohe Serien werfen. Da steckt viel Arbeit hinter, viel Ehrgeiz, viel Training.

Theoretisch dürften Sie als Frau doch auch mitspielen, oder?

Rennoch: Richtig, das dürfte ich. Die WM des Verbandes PDC ist ein Qualifikationsturnier. Primär geht es nach den Platzierungen der Weltrangliste. Es gibt aber auch noch mehrere Turniere, über die man sich ein Ticket nach London erspielen kann.

Warum aber schaffen es Frauen so selten?

Rennoch: Das ist recht schwer zu beantworten. Die Russin Anastassija Dobromyslowa war 2009 durch eine Wildcard dabei, ebenso wie die Kanadierin Gayl King als erste Frau überhaupt im Jahre 2001. Die Gründe für die Anwesenheit von so wenigen Frauen müsste mal ein Sportwissenschaftler analysieren. Ich denke, es hängt mit der Hand-Augen-Koordination zusammen. Frauen sehen breiter. Sie nehmen Räume anders wahr. Und dann spielt wohl auch noch die Feinmotorik eine Rolle, also die Fähigkeit, eine Bewegung zu isolieren. Ich kenne viele Frauen, die genauso häufig und intensiv trainieren wie die Männer, vom Durchschnitt aber nicht an die Männer herankommen.

Worauf kommt es bei einem guten Darts-Spieler überhaupt an?

Rennoch: Auf jeden Fall auf Nervenstärke, wenn man unter Druck gerät. Eine gute Hand-Augen-Koordination. Eine große Portion Selbstbewusstsein und Kampfgeist, um nicht gleich Panik zu bekommen, wenn es einmal nicht so gut läuft.

Auch auf mathematisches Geschick?

Rennoch: Weil man von 501 Punkten herunterspielen und schnell rechnen muss? Zwischen den Würfen hat man ja eigentlich immer genug Zeit, um nachzurechnen. Und viele Wege kann man auch auswendig lernen. Da automatisiert sich viel im Laufe der Zeit.

Manchmal hat man beim Zuschauen der WM den Eindruck: Ein gewisses Körpervolumen kann auch nicht schaden.

Rennoch: (lacht) Das weiß ich nicht, aber wenn man die Topspieler wie Michael van Gerwen oder Phil Taylor sieht, kann man diesen Eindruck schon gewinnen. Aber es gibt auch viele schlanke und erfolgreiche Dartsspieler. Max Hopp beispielsweise macht einen recht gut durchtrainierten Eindruck. Und viele meiner Darts-Kolleginnen sind auch schlank und spielen sehr gut.

Wie kann ich mir überhaupt ein Training vorstellen?

Rennoch: Ich habe verschiedene Trainingspläne, nach denen ich mich richte. Grob kann man sagen: Ich konzentriere mich in einigen Einheiten darauf, ganz bestimmte Felder zu treffen, in anderen geht es dann ums reine Punkten. Und natürlich arbeite ich vor jedem Wettkampf an den Schwächen. Wenn ich merke, dass mir die Doppel, mit denen man einen Satz beendet, zuletzt schwergefallen sind, dann trainiere ich die noch einmal besonders. Die Stundenzahl in der Woche variiert, das muss ja auch alles mit meinem Beruf als Bürokauffrau koordiniert werden. Durch die Weihnachtstage wurde zuletzt etwas weniger trainiert, wenn die Wettkämpfe jetzt wieder losgehen, wird alles intensiviert.

Wie haben Sie eigentlich den Weg zum Darts gefunden?

Rennoch: Wir waren damals in einer Gaststätte, da wurde auf eine elektronische Scheibe gespielt. Anfangs war mir das noch zu blöd, aber dann wurde ich überredet, habe es einige Tage später noch mal probiert und irgendwann wurde daraus eine Leidenschaft.

Sie sind die deutsche Nummer eins der Frauen. Wie schneiden Sie eigentlich gegen die männlichen Kontrahenten ab?

Rennoch: Es gibt auch Mixed-Wettbewerbe, deshalb messe ich mich auch regelmäßig mit Männern. Es ist unterschiedlich, meist spiele ich in der oberen Hälfte mit, manchmal im oberen Drittel. Es kommt auf die Tagesform an, wer dabei ist und wo man spielt. Aber sagen wir so: Die Männer haben schon Respekt (lacht). Die wissen, was ich kann.