Essen. . Der ehemalige deutsche Eishockey-Nationalspieler Ralph Krueger arbeitet als Vorstandschef beim FC Southampton. Und schaut nach oben - zum BVB.
Jürgen Klopp steht für Liverpool, Mesut Özil für Arsenal, Bastian Schweinsteiger für Manchester United, Ilkay Gündogan und Leroy Sané vertreten Manchester City. Die deutsche Top-Fraktion in der Premier League kennt jeder Fußballfan. Cheftrainer und Nationalspieler leisten aber auf und neben dem Rasen nicht das, was ein ehemaliger deutscher Eishockey-Nationalspieler an der Südküste Britanniens auf höchstem Niveau vollbringt: einen kompletten Klub lenken. Der Deutsch-Kanadier Ralph Krueger (57) ist Vorstandsvorsitzender des Tabellenachten FC Southampton, der am Mittwochabend gegen den Rangfünften Tottenham Hotspur antritt.
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Mit rund 200 Millionen Euro an Jahresumsatz stehen die Saints (übersetzt: die Heiligen) an Position 17 der weltweiten Fußball-Geldrangliste – direkt hinter Borussia Dortmund. „Der BVB ist auch sportlich unser Vorbild“, bekräftigt Ralph Krueger im Gespräch mit dieser Zeitung, „in der Premier League gibt es allerdings mehr als ein Bayern München. Wir sind hier das Beste des Rests.“ Also der Anführer hinter Chelsea, Arsenal, Liverpool, Tottenham und den Manchester-Fraktionen.
Ralph Kruegers Weg vom Düsseldorfer Eishockey-Bundesligaprofi der späten 70er-Jahre bis zum Vorstandschef eines Klubs in der besten Fußball-Liga des Planeten ist ungewöhnlich. „Ich galt damals als zu lieb und zu weich“, erinnert sich der heute 57-Jährige an seine erste verantwortungsvolle Aufgabe. Damals heißt in diesem Fall: Spätsommer 1989. Die Aufgabe: Spielertrainer beim Duisburger SV in der 2. Bundesliga.
Krueger wollte immer auf einer größerer Ebene arbeiten
Der einstige DSV-Chef Fritz Hesselmann hatte in Krueger eine Führungspersönlichkeit ausgemacht. „Ich denke oft an meine Anfangszeit an der Wedau zurück. Für mich war das damals die beste Ausbildung, die ich kriegen konnte. Und der Start für meinen weiteren Weg. Dafür bin ich Fritz dankbar, bis heute“, betont Krueger.
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Der Bundesliga-Profi, der auch für Iserlohn, Krefeld, Rosenheim und Schwenningen unterwegs war, holte später mit VEU Feldkirch aus Österreich den Europapokal. 1998 übernahm Krueger den Posten des Schweizer Nationaltrainers, führte die Eidgenossen durch zwölf WM-Turniere und drei Olympische Spiele. Nach den Spielen 2010 in Vancouver ging Krueger in die National Hockey League, arbeitete beim fünfmaligen Stanley-Cup-Sieger Edmonton Oilers erst als Assistenztrainer, dann in der Saison 2012/13 als Cheftrainer.
Nebenbei baute Krueger lange seine Kontakte auch außerhalb des Profisports auf. „Ich habe schon 1994 die Firma Teamlife gegründet, ein Buch über Coaching geschrieben, war im Weltwirtschaftsforum aktiv. Ich wollte immer auf einer größeren Ebene arbeiten. Das musste nicht zwangsläufig Fußball sein. Es hat sich so ergeben.“
Bale, Mane und Llalana wurden in Southampton ausgebildet
Und zwar im Herbst 2013. Da gab es den ersten Kontakt zu Katharina Liebherr, der Schweizer Besitzerin des FC Southampton. „Sie wollte eine neue Führungsphilosophie. Ich war für die Zeit nach den Olympischen Spielen in Sotchi (Berater des kanadischen Nationalteams, d. Red.) auf der Suche nach einer neuen Inspiration.“
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Unter seiner Regie hat Southampton zweimal die Gruppenphase der Europa League erreicht. Dazu gilt die Akademie des Klubs als große Talentschmiede. „Darauf können wir stolz sein, wenn ich an Adam Llalana, Alex Oxlade-Chamberlain, Theo Walcott oder einst Gareth Bale denke. Sadio Mane hat sich bei uns prächtig entwickelt und spielt nun in Liverpool bei Jürgen Klopp. Mit Oriol Romeu und Ryan Bertrand sind derzeit wieder zwei Nationalspieler bei uns. Wir haben immer zwei oder drei Talente aus den eigenen Reihen im Team“, hebt Krueger hervor.
Dafür ist ein ausgedehntes Scouting-System nötig. Krueger: „52 Scouts sind für uns weltweit aktiv. Wir finden unsere eigenen Spieler und Trainer, machen daraus eine Hitliste und gehen nie über Agenten, die was anbieten. Wir haben es nicht nötig, außerhalb der Gesetze zu handeln. Und trotzdem haben wir unsere strikte Budgetgrenze. Wenn andere mehr zahlen und der Spieler weg will, ist das eben so.“
Vertrag bis 2019
Ralph Krueger sagt das nüchtern: „Ich handle nicht aus der Emotion heraus, weil ich kein echter Fußballfan bin.“ Der Saints-Boss schätzt einen sechsten oder siebten Platz in der Premier League realistisch ein: „An einem guten Tag können wir alle ärgern. Auf Strecke eher nicht. Wenn wir die Europa League erreichen, ist das für uns wie eine Meisterschaft. Oder wie eine Viertelfinalteilnahme der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bei der WM.“
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Den schnellsten Teamsport der Welt verfolgt Krueger weiter. Im Mai bei der Weltmeisterschaft in Köln will er vor Ort sein. Und dann auch seine früheren Stationen besuchen. Düsseldorfs Brehmstraße oder die Wedau-Eishalle neben der MSV-Arena in Duisburg.
Eine Rückkehr zum Eishockey ist derzeit wenig wahrscheinlich. Auch wenn es aus der NHL Anfragen gibt. Wie zuletzt aus Calgary. Der Reiz der täglichen Herausforderung, Boss eines Fußballprofivereins zu sein, ist Krueger wichtiger. Sein Vertrag beim Vizemeister von 1984 läuft noch zweieinhalb Jahre. „Aber ich glaube, ich bleibe sogar länger.“
Übrigens: Auch die erwachsenen Kinder sind im Sport auf höchstem Niveau erfolgreich: Sohnemann Justin Krueger (30) wurde mit dem SC Bern 2016 Schweizer Eishockey-Meister, spielt dazu für die deutsche Nationalmannschaft. Tochter Geena (27) gehört dem Wasserski-Nationalteam an und war bei der Weltmeisterschaft 2014 in Chile im Einsatz.