Ohne ihn wäre Deutschland wohl nicht die Fußballnation geworden, die es heute ist: Walther Bensemann widmete sein ganzes Leben dem runden Leder und etablierte den Sport gegen große Widerstände im deutschen Reich. Heute vor 135 Jahren wurde er geboren.

Walther Bensemann kann getrost als Vater des deutschen Fußballs bezeichnet werden. Er war glühender Anhänger des Sports und erkannte früh die Chancen, die der Fußball für die Völkerverständigung bot. Er lehnte Nationalismus und Militarismus ab und setze sich Zeit seines Lebens für ein friedliches Miteinander der Völker ein.

Walter Bensemann. Foto: DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FUSSBALL-KULTUR
Walter Bensemann. Foto: DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FUSSBALL-KULTUR © Unbekannt | Unbekannt





Er stammte aus einer gutbetuchten, jüdischen Berliner Familie, kam aber schon im Alter von etwa zehn Jahren auf ein Internat im schweizerischen Montreux. Dort besuchten viele Kinder englischer Familien die Schule, und Bensemann kam mit dem Fußball in Kontakt. Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, denn bereits mit 14 Jahren gründete er 1887 zusammen mit einigen englischen Mitschülern den Football Club Montreux.

Mit 16 Jahren zog Bensemann nach Karlsruhe, wo er sogleich versuchte, seine Mitschüler für den Fußball zu begeistern. Mit mäßigem Erfolg. Die „Fußlümmelei“ galt als „undeutsch“. Doch Bensemann war hartnäckig und vom Gedanken beseelt seinen Sport in Deutschland zu verbreiten. Er war der einflussreichste Fußball-Pionier in Süddeutschland und gründete 1889 den ersten süddeutschen Verein überhaupt: den International Football Club Karlsruhe.

Leicht war der Anfang für die deutschen Kicker nicht. Die Spielkleidung war vielen Bürgern zu anstößig, außerdem stammte der Sport aus England – und war damit schon tabu. So fanden in Süddeutschland hauptsächlich jüdische Jugendliche aus dem liberalen Bürgertum den Weg zum runden Leder. Entsprechend weltoffen präsentierten sich die Fußballer. Auch Bensemann wollte Zeit seines Lebens den Fußball nutzen, um nationalistische Ressentiments abzubauen und zur Verständigung über Landesgrenzen hinweg nutzen. Schon sehr früh plante Bensemann, ein Team aus den besten deutschen Spielern zu formen, um gegen die Vertretungen anderer Nationen anzutreten.

Die Mannschaft, die 1898 in Paris gegen die White Rovers mit 7:0 gewann; hintere Reihe dritter von links: Walter Bensemann.
Foto: Michael Broschkowski, Thomas Schneider »Fußlümmelei. Als Fußball noch ein Spiel war«. 128 Seiten, 14,80 Euro, TRANSIT Verlag.
Die Mannschaft, die 1898 in Paris gegen die White Rovers mit 7:0 gewann; hintere Reihe dritter von links: Walter Bensemann. Foto: Michael Broschkowski, Thomas Schneider »Fußlümmelei. Als Fußball noch ein Spiel war«. 128 Seiten, 14,80 Euro, TRANSIT Verlag. © Transit verlag | Transit verlag





Im Dezember 1898 war es soweit: Nach zähen Verhandlungen mit den Franzosen trat ein von Bensemann zusammengestelltes Team in Paris gegen den Pariser Meister White Rovers sowie eine Pariser Stadtauswahl an und gewann. Ein Jahr später gelang Bensemann der nächste Coup: Er engagierte die englische Auswahl für eine Tournee durch das Deutsche Reich – die erste Reise der Briten auf den Kontinent überhaupt. Doch selbst für diese Aktion erntete der leidenschaftliche Fußballer Kritik. Aus Angst, Deutschland könnte gegen die Briten chancenlos untergehen, forderten einige Funktionäre, der Fußball müsse sich erst in Deutschland etablieren, bevor man sich mit ausländischen Mannschaften messe. Der süddeutsche Verband schloss Bensemann sogar aus und drohte allen Spielern, die an dem Spiel gegen England antreten wollten, ebenfalls mit Rauswurf.

Am Ende setzten sich einige Spieler über das Verbot hinweg, mehrere Fußballverbände sagten ihre Teilnahme zu, eine Mäzenin brachte die Gage für die Engländer auf, und das erste Spiel einer deutschen Auswahl gegen England konnte angepfiffen werden. Viermal (zweimal in Berlin, je einmal in Prag und Karlsruhe) traten die Teams gegeneinander an, Deutschland verlor zweistellig und erhielten eine Lektion über taktisch-modernen Fußball. Damals waren es die technisch versierten Engländer, die den Ball am Boden laufen ließen, während die Deutschen das Kick and Rush pflegten.

Kurze Zeit nach den Spielen gegen England wurde der Deutsche Fußballbund (DFB) gegründet. Bensemann war als Delegierter beteiligt und war für die Namensgebung des Verbandes verantwortlich. Um ein Amt bewarb sich Bensemann nicht. Er ging als Lehrer für Sport und Sprachen zunächst in die Schweiz und ab 1901 für 13 Jahre nach Großbritannien. Die Jahre in England prägten seine kosmopolitische Einstellung. Den Ersten Weltkrieg erlebte er in Deutschland, konnte aber keine Begeisterung für die anfänglichen Siege der Deutschen empfinden, da auf der anderen Seite englische Schüler von ihm in den Schützengräben starben. Er hoffte auf die friedensstiftende Wirkung des Fußballs, den er mehr denn je als Mittel zur Völkerverständigung einsetzen wollte.

Walther Bensemann gründete 1920 das Sportmagazin 'kicker'.
Walther Bensemann gründete 1920 das Sportmagazin 'kicker'. © Unbekannt | Unbekannt





Um dieses Ziel zu erreichen, gründete Bensemann 1920 eine eigene Zeitung: den Kicker. Er konnte zahlreiche alte Weggefährten als Mitarbeiter gewinnen. Sitz des Kicker war zunächst Konstanz, dann Stuttgart und Ludwigshafen. Schließlich zog Bensemann mit seiner Zeitung in die Fußball-Hochburg Nürnberg. Mit Glossen und bissigen Kommentaren schrieb Bensemann gegen Nationalismus und Militarismus und zog damit den Unmut der national-konservativen Leserschaft auf sich. Auch den DFB kritisierte Bensemann. Trotz seiner Aufmüpfigkeit konnte Bensemann seinem Kicker unbehelligt publizieren. Das änderte sich mit der Machtübernahme der Nazis 1933.

Der Fußball geriet zwar schon in der Weimarer Republik ins Visier der Antisemiten, doch Bensemann pochte darauf, der Politik in seinem Blatt nicht zu viel Platz einzuräumen. Dem Hitler-Regime gegenüber verhielt sich der Kicker 1933 noch neutral. Bensemann verließ das Blatt nach internen Querelen mit seinem Verleger und reiste im April 1933 in die Schweiz. Dort wohnte er auf Einladung der FIFA der Weltmeisterschaft 1934 bei. Deutschen Journalisten gegenüber trat er als lautstarker Warner vor den Nazis auf. Nach Deutschland kehrte Bensemann nicht zurück. Er verstarb 1934 in Montreux – in der Stadt, in der er 35 Jahre zuvor seinen ersten Fußballverein gegründet hatte.

(Foto ganz oben: Der Walther-Bensemann-Preis des Jahres 2007 ging an Alfredo Di Stéfano. Di Stéfano gilt als einer der besten Fußballer aller Zeiten)