Karlheinz Pflipsen wurde auf der Urlaubsreise mit der "Aida" als Trainer der Reserve von Rot-Weiß Essen verpflichtet. Gehalts-Verhandlung dauerte eine Minute. Wechselvolle Spieler-Karriere endete 2004

Essen. Es gibt Meldungen, die muss man zweimal lesen. Wie die in der vergangenen Woche: Karlheinz Pflipsen, langjähriger Mittelfeldstar von Borussia Mönchengladbach, einmal für die A-Nationalmannschaft am Ball (1993 beim US-Cup beim 4:3 gegen die USA) wird Trainer bei Rot-Weiß Essen. Bei der U 23. In der NRW-Liga. Fünftklassig. Wie bitte?

Da bedarf es einer persönlichen Nachfrage. Treffen auf der Essener Bezirkssportanlage "Am Hallo", wo seine neue Mannschaft sich einem Laktattest unterzieht. Der Trainer höchstselbst stellt die Hütchen auf, wischt die Tartanbahn mit einem Sweatshirt trocken. Dann, zwischen Sprints und Ausdauer-Training endlich die Zeit für ein Gespräch auf der Tribüne. "Ich freue mich unheimlich auf diese Aufgabe und bin dankbar, dass mir der Verein diese Chance gibt", meint Pflipsen - und er meint es ganz ernst. Ende des vergangenen Jahres hat er in Köln seine Prüfung zum Fußballlehrer bestanden, zusammen mit Jos Luhukay, Steffi Jones, Pele Wollitz und Milan Sasic. Und, nun ja, die freien Stellen sind nicht gerade reich gesät. Deshalb hat er beherzt zugegriffen, als der Anruf von Thomas Strunz kam. Wobei das mit der Unterschrift ein bisschen warten musste. Der 37-jährige Wunschkandidat befand sich mit der Familie gerade im Urlaub auf der Aida. Vom Traumschiff in den Traumjob, oder zumindest fast.

Beim Treffen in Düsseldorf ging dann alles ganz schnell. Auch das leidige Thema Geld, bei dem sich der Kandidat im Übrigen nach Vereinsaussagen äußerst sozial verhalten haben soll. "Glauben Sie mir, das Finanzielle haben wir in einer Minute abgehakt", so Pflipsen. Ihm gehe es um einen soliden Start in das Trainergeschäft. Wobei er natürlich argwöhnisch in Fan-Kreisen beäugt wird. Der Promi trainiert die Reserve, während sich um die Erste mit Michael Kulm ein außerhalb der Stadtgrenzen Unbekannter kümmert. Tenor: "Da steht der Nachfolger ja schon bereit." Karlheinz Pflipsen hat die Nachfrage beinahe herbeigesehnt: "Ich bin für die U 23, und nur für die U 23 zuständig, und darum kümmere ich mich hundertprozentig. Da gibt es ganz klare Absprachen, aber natürlich tauschen wir uns auch aus, schließlich haben wir Spieler, die in beiden Kadern zum Einsatz kommen werden."

Natürlich kommt man nicht umhin, mit ihm auch über die höchst wechselvolle Karriere als Spieler zu sprechen, die 2004 in der Zweiten Liga bei 1860 München unspektakulär endete. 197 Bundesligaspiele, 37 Tore, DFB-Pokalsieger 1995 mit Borussia Mönchengladbach, 2004 nochmals Pokal-Finalist mit Zweitligist Alemannia Aachen. So steht es auf der Habenseite.

"Viel zu wenig, bei dem Talent", meinen seine Kritiker, die ihm eine Karriere a? la Andreas Möller in etwa zugetraut hatten und ihn fortan in der Schublade "Verschenktes Talent" ablegten. Was Pflipsen im Rückblick anders sieht. Dabei hätte man vergessen, dass er mit 23 Jahren einen Kreuzbandriss erlitten hatte, den er nie richtig auskurieren konnte. Wehmut deswegen? "Nein, ich bin überhaupt kein Mensch, der zurückblickt. Ich lebe in der Gegenwart und kann es nur in der Zukunft besser machen. Und ich bin mit mir im Reinen."

Dann wäre da noch die Schublade: "Pflipsen, der Abzocker". Da war mal der Prozess gegen seinen Arbeitgeber Borussia Mönchengladbach, den er erfolgreich auf Nachzahlung von 85 000 Mark Urlaubsgeld verklagte.

Jetzt lächelt Pflipsen. Gut, eine Jugendsünde räumt er ein, das Ganze wäre in einer gewissen "Frustrationsphase" im Verein passiert, aber auch aus dieser Erfahrung habe er seine wichtigen Lehren gezogen. Im Übrigen: Das "gewonnene" Geld sei damals komplett wohltätigen Zwecken zugeflossen, das weiß natürlich heute keiner mehr. Geblieben ist das Bild vom Abzocker.

Ist abgehakt. Was zählt, ist morgen. Bei einem ersten Turnier mit seiner jungen Mannschaft in Düren belegte sie den zweiten Rang, sie besiegte dabei drei Teams aus höheren Klassen. "Nicht überbewerten, ich gebe nicht viel um die Vorbereitung. Die Ergebnisse dort sind zweitrangig", so der Trainer. Karlheinz Pflipsen bewegt sich lieber etwas vorsichtiger auf dem neuen Terrain.