Lille. .

Es ist das Kalkül eines Mannes, der schon viele Turniere erlebt hat, der weiß, wie man sich verhalten muss, um erfolgreich zu sein. Wohl auch deshalb kam Bundestrainer Joachim Löw kaum ein Lächeln über die Lippen, als er in den Katakomben des Stadions von Lille über das reden sollte, was sich in den 90 Minuten zuvor abgespielt hatte. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte die Slowakei mit 3:0 (1:0) geschlagen und steht nun im Viertelfinale der Europameisterschaft in Frankreich. Der Gegner für die Partie am Samstag in Bordeaux wird am Montag zwischen Spanien und Italien ermittelt. Löw hätte diesen freudvoll herausgespielten Sieg als etwas bezeichnen können, das den Beginn von etwas womöglich Großem darstellt.

„Wir müssen uns weiter steigern“

Schließlich will der Weltmeister auch noch Europameister werden. Gerade deshalb bemühte sich der Bundestrainer aber um Contenance – und musste sich vermutlich gar nicht mal sehr dafür anstrengen. „Insgesamt war das eine gute Leistung. Aber bei allem Respekt für den Gegner ist die Slowakei nicht der Maßstab, um erkennen zu können, ob man so ein Turnier dominieren kann. Wir müssen uns weiter steigern, wenn wir das Turnier gewinnen wollen“, sagte Löw.

Erstmals in diesem Turnier hatte die Nationalelf indes mit einer Leistung aufgewartet, die erkennen ließ, dass der EM-Titel das Ziel ist. Im vierten Spiel blieb sie nun ohne Gegentor und versprühte in der Offensive endlich auch jene Leichtigkeit, die das Potenzial zu versprechen scheint. Schon in der ersten Halbzeit war die Basis für den Sieg geschaffen. Löw selbst hatte dazu beigetragen, in dem er Mario Götze aus der Startformation beorderte und dafür Julian Draxler vertraute. Der Wolfsburger entwickelte sich zum unterhaltsamsten Element dieses Abends.

Doch zunächst gehörte die Bühne einem Abwehrspieler: Jerome Boateng. Sein Einsatz war fraglich gewesen, die Wade bereitete ihm Schmerzen und damit der halben Nation ein wenig Sorge. Doch als nach acht Minuten eine Ecke in den Strafraum geflogen kam, da stürzte er sich nicht wie sonst in den Luftraum vor dem Tor, sondern wartete an der Strafraumgrenze. Von dort traf er volley zum wichtigen 1:0 – und feierte seinen Treffer mit den Teamärzten, die ihn fit bekommen hatten.

Schon fünf Minuten später war die Vorentscheidung fast gefallen. Weil Stürmer Mario Gomez im Strafraum von Martin Skrtel geschubst worden war, gab es Elfmeter. Mesut Özil trat an, scheiterte aber an Torhüter Matus Kozacik.

Starke Paraden von Manuel Neuer

Es war der erste verschossene Elfmeter eines deutschen Nationalspielers bei einer EM seit Uli Hoeneß 1976. Sein Schusspech setzte sich bei einer Direktabnahme, die nur Zentimeter am Pfosten vorbei strich, fort (24.). Die deutschen Kicker hatten die Lage im Griff. Eigentlich.

Denn gegen Ende der ersten Halbzeit wagten sich die Slowaken deutlich weiter auf schwarz-rot-goldenes Territorium. Zunächst musste Manuel Neuer nach einem zu kurz geratenen Rückpass von Jonas Hector retten (38.), ehe Deutschlands Nummer 1 nach einem Kopfball von Juraj Kucka in voller Körperstreckung den Ausgleich verhinderte (41.). Mitten hinein in diese Phase aber platzierte der Weltmeister das 2:0. Draxler enteilte der slowakischen Abwehr und spielte Mario Gomez drei Meter vor dem Tor frei. Ein Ballkontakt genügte zum beruhigenden zweiten Treffer.

Am Bild der offensivfreudigen Deutschen änderte sich nichts. Im sicheren Gefühl des Sieges kombinierten sie fein nach vorn und erzielten noch den dritten Treffer. Der frühere Schalker Draxler tauchte nach einer Ecke frei im Fünfmeterraum auf und jagte den Ball volley ins Tor (63.). Ein überzeugender Sieg, der auch ein Signal an die Konkurrenz ist: Wir sind da! „Wenn du im Viertelfinale ausscheidest, bringt dir all dieses Favoritensein nichts“, meinte Mario Gomez recht ernst. Joachim Löw wird es gern hören. Wann immer die letzen Turniere früher beendet waren, standen Italien oder Spanien im Weg. „Das bereitet mit keine schlaflosen Nächte“, sagte Löw noch und ließ sogar ein an diesem Abend erstaunliches Maß an Zuversicht zu, „man steigert sich ja auch mit dem Gegner“.