Paris. .
Sie trug einen anderen Rock und ein anderes Oberteil als vor vier Monaten in Melbourne; schwarzweiß statt leuchtend bunt. Fast könnte man meinen, Angelique Kerbers Vertragspartner habe damit das Programm vorgegeben; in schwarz-weiß jedenfalls erinnerte sie nur bedingt an die Siegerin der Australian Open. Mit einem missglückten Stopp beendete sie am Dienstag das Spiel der ersten Runde gegen die Niederländerin Kiki Bertens (2:6, 6:3, 3:6), und das war es mit der Chance, in einem völlig offenen Favoritenkreis noch mal ein Zeichen zu setzen.
Zugegeben, es hätte einfachere Aufgaben in der ersten Runde geben können. Während sich Kerber in der vergangenen Woche zu Hause in Polen um ihre lädierte Schulter gekümmert hatte, hatte Bertens derweil beim Nürnberger Versicherungscup ganze Arbeit leistete. Sie gewann sieben Spiele im Einzel, vier im Doppel, schnappte sich beide Titel, und an Selbstvertrauen fehlte es ihr demzufolge nicht, als sie sich danach auf den Weg nach Paris machte. Und entschlossen machte sie auf dem Court Central weiter, wo sie in Nürnberg aufgehört hatte; sie varierte gut, zeigte Geuld, war aber im richtigen Moment bereit zum Risiko; sie spielte richtig gut. Kerber hingegen wirkte von Anfang an unsicher und gehemmt. Sie schien nicht schnell auf den Beinen zu sein – sonst eine ihrer Stärken –, zog selten voll durch, und man sah ihr an, dass ihr die ganze Sache nicht gefiel. Selbst die Großen des Tennis geben zu, unter der speziellen Nervosität der ersten Runde zu leiden, und allgemein gilt: Wenn du die die Stars schlagen willst, dann nutze deine Chance in der ersten Runde.
Angelique Kerber gewann zwar den zweiten Satz, aber mehr nicht. Immer wieder sah sie mit ratlosem Blick hinauf zur Tribüne zu Coach Torben Beltz und Bundestrainerin Barbara Rittner, die doch die konnten ihr nicht helfen. Champions – siehe Wawrinka und Murray – finden ihren eigenen Weg, aber die Siegerin der Australian Open fand ihn nicht. Zu Beginn des dritten Satzes, als Bertens die Anstrengungen der Nürberger Woche in den Knochen spürte, als sie selbst nach dem gewonnenen zweiten Satz endlich mehr Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten hätte haben müssen, geriet Kerber schnell wieder in Rückstand. Sie ließ sich an der Schulter behandeln, die ein wenig schmerzte, doch das Problem, so sagte sie hinterher, sei sicher nicht der Grund für die Niederlage gewesen. Was dann?
Es war eine Kombination aus mehreren Faktoren. Zum einen liegt ihr das Spiel auf Sand nicht so sehr, weil sie mehr als auf Hartplätzen machen muss, um den Ball zu beschleunigen. Eine gewisse Rolle spielten vermutlich auch die Schmerzen in der Schulter, aber vor allem sah sie auf dem Platz so aus, als sei sie innerlich nicht bereit für die Herausforderung. Der verzagte, halbherzige Stopp beim dritten Matchball fasste die Ereignisse in gewisser Weise zusammen.
Sie wirkte ernüchtert hinterher, traurig und frustriert und gab zu, sie werde sicher einige Tage brauchen, um sich von dieser Niederlage zu erholen. „Aber dass ich verloren habe, wird mich nicht zurückschlagen, ich kann jetzt nur nach vorne schauen.“ Aber vielleicht könnte es nicht schaden, noch mal einen Blick zurück zu werfen, auf den sehr deutlichen Leistungsunterschied zwischen ihren souveränen, kämpferischen Aufritten im April beim Fed Cup in Rumänien und in der Woche danach in Stuttgart mit der Titelverteidigung beim Porsche Grand Prix und der Zeit danach, als sie in der ersten Runde in Madrid verlor, in der ersten Runde in Rom und nun auch in Paris.
Für Bundestrainerin Barbara Rittner war es ein ziemlich frustrierender Tag. Sie sah nicht nur die Niederlage ihrer Nummer eins, sondern auch jener beiden, die in den ersten Monaten des Jahres auf sich aufmerksam gemacht hatten, Laura Siegemund und Anna-Lene Friedsam, die bei der Auslosung allerdings schwere Aufgaben erwischt hatten. Siegemund unterlag in zwei Sätzen der wieder stärker werdenden Kanadierin Eugenie Bouchard, Friedsam scheiterte an der aufstrebenden Russin Daria Kasatkina.