Leipzig. . 13 Jahre nach ihrem ersten Rücktritt ist die Schweizerin die Nummer eins der Doppel-Weltrangliste und ehrgeizig wie immer. Sie will eine Medaille in Rio holen.

Steffi Graf wird sich noch gut erinnern. Daran, dass sich 1999 im Finale der French Open jemand gründlich danebenbenommen hat. Zuerst legte sich Martina Hingis mit dem Publikum an, dann verlor sie das Endspiel der Generationen gegen die zwölf Jahre ältere Deutsche. Tränenüberströmt verließ sie die rote Asche, tauchte ab in den Katakomben des Courts Philippe Chatrier. Das war die eine, die trotzig-zickige Seite der Ausnahmespielerin aus der Schweiz, die bereits in einem Alter Tennisprofi geworden war, in dem andere kaum ohne Stützräder Fahrrad fahren können. „Mit 18 macht man manchmal Dinge, die man nicht tun sollte“, sagt sie heute, altersmilde mit 35, über ihren Fehltritt von Roland Garros.

Ein Giganten-Mixed mit Roger Federer

Dass über das turbulente Leben der Martina Hingis wieder gesprochen wird, hat einen sportlich ambitionierten Hintergrund. Eine Idee, die so ehrgeizig ist, wie der ganze Lebensentwurf einer Frau, die vor fast 20 Jahren auf Platz eins der Einzel-Weltrangliste stand, fünf Grand-Slam-Titel holte und mit 22 Jahren ihre Karriere zum ersten Mal beendete.

Martina Hingis ist zurück auf den Tennisplätzen dieser Welt. Nächster Halt: Olympia. Hier hat sie noch eine Rechnung offen. Vor 20 Jahren in Atlanta kam sie ins Viertelfinale. Jetzt soll eine Medaille her. Mindestens eine. Immer wieder betont sie, wie sehr sie sich auf die Spiele in Rio freut, bei denen sie mit ihrem Landsmann Roger Federer ein Mixed der Giganten bildet.

Andere Tennisveteranen sind gnadenlos gescheitert mit dem Versuch, ihren Ruhestand außer Kraft zu setzen. Björn Borg oder Thomas Muster beispielsweise. Bei Martina Hingis ist das anders. Ihr Comeback wird auf der Tour nicht belächelt, es wird bewundert. Schnell hat sich gezeigt, welch unbändiger Siegeswille weiter in ihr brodelt. Die butterweichen Stopps sind geblieben, dazu die Übersicht auf dem Platz. Aber sie mag sich in ihrem fortgeschrittenen Alter, früher hätte man Jungseniorin gesagt, nicht mehr um den ganzen Platz allein kümmern. Sie tritt ausschließlich im Doppel an. „Im Einzel habe ich meine Zeit gehabt“, sagt Hingis, die damit keinesfalls andeuten möchte, ein Auslaufmodell zu sein. „Das Spiel ist nicht intelligenter geworden“, behauptete sie vor zwei Jahren, selbstbewusst wie immer.

Mit 35 Jahren durchtrainiert bis in die letzte Sehne

Die spielerische Stärke der bis in die letzte Sehne durchtrainierten 35-Jährigen schlägt sich auch in Zahlen nieder: Sie hat die letzten drei Grand-Slam-Turniere im Doppel gewonnen, Wimbledon, New York, Melbourne. Sie steht auf Platz eins der Doppel-Weltrangliste und wird mit Kusshand von Teamchef Heinz Günthardt im Schweizer Fed-Cup-Team eingesetzt.

„Allein ihre Präsenz ist eine Verstärkung für uns“, sagt er beim Spiel gegen Deutschland in Leipzig. Es sieht fast so aus, als habe Hingis ihre Tochter mitgebracht, als sie neben der 18-jährigen Belinda Bencic den entscheidenden Punkt holt. Ganz uneigennützig ist Hingis’ Rückkehr in den Fed Cup nach 17 Jahren Pause aber nicht. Um bei Olympia im Doppel antreten zu dürfen, muss sie dreimal im Nationalteam gespielt haben.

Im Leben der Martina Hingis ging es nicht immer nur bergauf. Mit 22 Jahren beendete sie ihre Tenniskarriere mit Fußproblemen. Ein erstes Comeback scheiterte 2005. Ein zweites 2007 nach einer Kokain-Affäre in Wimbledon.

2014 trainierte Hingis die Deutsche Sabine Lisicki. Als sie zusammen ein Doppel gewannen, entschied sich Hingis, wieder als Spielerin einzusteigen.