Essen. Was für Emotionen! Angelique Kerbers Sieg bei den Australian Open und der Triumphzug der Handballer bei der EM: zum Heulen schön! Ein Kommentar.

"Gehalten von Toni, gehalten!“ Die Älteren unter uns werden sich noch erinnern, als sich die Stimme des legendären Radioreporters Herbert Zimmermann überschlug und er den Torwart der deutschen Nationalelf, Toni Turek, beim „Wunder vorn Bern“ zum „Fußball-Gott“ erhob. Hätte er es noch erleben dürfen – Andreas Wolff wäre sein „Handball-Gott“. Der vor dieser EM nur Insidern bekannte Torhüter der HSG Wetzlar steht beispielhaft für das „Wunder von Krakau“.

Eigentlich war alles gesagt über dieses mitreißende junge Handball-Team. Kein Lob schien groß genug. Und doch rangen selbst die größten Wortakrobaten nach dem Finale noch einmal nach Worten.

Wie soll man „unfassbar“ auch steigern? Allenfalls mit einem Namen: Angelique Kerber. Die zweite Hauptdarstellerin dieses denkwürdigen deutschen Sport-Wochenendes hob in Melbourne die Tennis-Welt der Damen aus den Angeln. Mit ihrem Thriller gegen Serena Williams löste sie Emotionen aus, die magische Tennis-Momente mit Steffi Graf und Boris Becker wach riefen.

Weil Kerber schon als „Unvollendete“ abgeschrieben war, kamen ihre Landsleute vor den TV-Geräten aus dem Staunen nicht heraus. Hier nahm eine gereifte junge Sportlerin, die in ihrem Spiel zuvor eher zögerlich wirkte, ihr Schicksal plötzlich mit aller Entschlossenheit in die Hand – obwohl auf der anderen Seite die als nahezu unschlagbar geltende Weltranglisten-Erste stand.

Melbourne war die Krönung eines langen, von vielen Rückschlägen gezeichneten Weges. Zu einer Sternstunde des Sports aber machte Kerbers Sieg bei den Australian Open erst das Verhalten ihrer Finalgegnerin. Serena Williams, die Seriensiegerin der vergangenen Jahre, stand bisher nicht gerade im Ruf, Größe in der Niederlage zu zeigen. Worin sie sich, nebenbei, nicht von der einen oder anderen Vorgängerin auf dem Tennisthron unterschied.

In Melbourne verfehlte die 34-jährige Amerikanerin nun zwar ihren 22. Grand-Slam-Titel, gewann dafür aber die Sympathien aller Zuschauer. Weil ihr jeder abnahm, dass sie ihrer Bezwingerin den Erfolg gönnte. Siegerin und Verliererin mit strahlendem Lächeln nebeneinander zu sehen – es war zum Heulen schön. Und noch schöner war es, dass es 32 Stunden später aus deutscher Sicht schon wieder Grund für Freudentränen gab. Unfassbar.

P.S. Gerade erst hatte Fußball-Deutschland aufgeatmet, dass die Bundesliga wieder spielt. Doch diesmal stand sie im Abseits. Und das ist gut so. Noch besser freilich wäre es, würden sich die öffentlich-rechtlichen TV-Sender ermutigt sehen, den Sport nicht auf Fußball zu reduzieren, sondern ihn in seiner ganzen Vielfalt zu präsentieren.