Köln. Immer mehr Fußballlehrer verlassen ihr Team freiwillig. Psychologen begründen das mit einem Abnutzungseffekt. Diesen könnte auch Pep Guardiola spüren.

Inzwischen hat Max Eberl den Rücktritt von Lucien Favre gut verkraftet, aber ein paar Frage sind geblieben aus den bewegten Tagen, als der langjährige Erfolgstrainer von Borussia Mönchengladbach die Flucht ergriff. „Das Thema Haltbarkeit muss in den nächsten Monaten noch sehr hinreichend diskutiert werden, weil es den Anschein hat, dass Trainer in diesem Mühlenrad Bundesliga eher verschließen, als es in der Vergangenheit der Fall war“, sagt der Gladbacher Sportdirektor. Eberl wirkt immer noch etwas ratlos.

Schließlich musste er nicht nur akzeptieren, dass Favre den Glauben an das Projekt verloren hatte, sondern auch, dass der Zweifler offenbar richtig lag mit seiner Entscheidung. Er habe „nicht mehr das Gefühl, der perfekte Trainer für Borussia Mönchengladbach zu sein“, hatte der Schweizer erklärt, daher sei es die „beste Entscheidung für den Verein und die Mannschaft, eine Veränderung herbeizuführen“.

Tatsächlich hat der Führungswechsel den Erfolg zurück gebracht. Seit Interimstrainer Andre Schubert verantwortlich ist, spielt die Mannschaft nicht nur gut, sie gewinnt auch wieder.

Dortmunder Siegesserie unter Tuchel

Einen ähnlichen Effekt hat der Trainerwechsel bei Borussia Dortmund ausgelöst, wo Jürgen Klopp im Frühjahr die Notwendigkeit von Veränderungen als Hauptgrund für seinen Rücktritt nannte. Kaum war er weg, hat ein fast identisches Team unter Thomas Tuchel die ersten elf Pflichtspiele der Saison überzeugend gewonnen.

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Dass neue Führungskräfte im Profifußball manchmal Wunder bewirken können, ist nicht ganz unbekannt. Neu ist das Phänomen, dass Trainer selbst erkennen, wann ihre Mannschaften frische Impulse benötigen. Der Gedanke, dass ein Neuanfang allen Beteiligten helfen kann, setze sich auch „unter den Trainern mehr und mehr durch“, sagt Werner Mickler, der an der Hennes-Weisweiler-Akademie, wo alle deutschen Profitrainer ausgebildet werden, das Fach Psychologie lehrt. Der Mut zum freiwilligen Rücktritt hänge allerdings „stark davon ab, wie unabhängig ich wirtschaftlich bin“.

Spitzenkräfte wie Tuchel, Klopp, Favre oder auch Pep Guardiola vom FC Bayern können sich das leisten, und bringen das Idealbild von einer möglichst dauerhaften Zusammenarbeit mit einem Fußball-Trainer ins Wanken. Es geht um Veränderungen, die notwendig sind, um sich zu entwickeln.

Führungsstil beeinflusst Qualität der Abnutzung

Auch jenseits des Sports verlieren Führungskräfte oft nach einer gewissen Zeitspanne ihren konstruktiven Einfluss, sagt Detlef Fetchenhauer, der am Kölner Institut für Wirtschafts- und Sozialpsychologe zur Arbeitsweise von Führungskräften forscht. Wobei die Qualität der Abnutzung „sehr vom Führungsstil abhängt, den man pflegt“. Der Wissenschaftler glaubt, dass sich „ein Stil, den man in der Literatur als charismatische Führung bezeichnen würde: mitreißend, nach vorne tragend, begeisternd und sehr emotional auf Dauer sehr schwer durchhalten lässt.“

Tuchel erklärte seinen Abschied aus Mainz im Frühjahr 2014 auch mit dem Gefühl der Abnutzung. Er habe sich gefragt, „ob das noch lange so weitergehen kann und vor allem, wie wir das noch mal toppen sollen“, erzählte der heutige Dortmunder Trainer der „Zeit“.

Eine „enge Bindung“, die im Arbeitsalltag in einem Profiklub entsteht, kann konstruktiv sein, nach einer gewissen Zeit kann sie aber ihren Zauber verlieren. Das sei wie „in einer Ehe“, sagt Sportpsychologe Mickler. Tuchel hat das erkannt, bevor der Misserfolg kam, wie auch Guardiola, als er sich nach vier erfolgreichen Jahren beim FC Barcelona ein Jahr Pause gönnte. Derzeit zögert der Spanier, ein neues Vertragsangebot beim FC Bayern anzunehmen.