London. . Nach seinem Sieg über Stan Wawrinka steht der Franzose in Wimbledon erstmals im Halbfinale. Nun will Richard Gasquet gegen Novak Djokovic den nächsten Coup landen.
Das sind Momente, die unter die Haut gehen. Wie Lieblingslieder, Küsse, wie Sommerstunden an einem menschenleeren Strand. Richard Gasquet schulterte die große Schlägertasche, marschierte in den abendlichen Sonnenschein, und die Leute riefen Ri-chard, Ri-chard, Ri-chard.
Der Sieg des Tennis-Profis aus Franzosen gegen jenen Mann, der vor vier Wochen in Paris den Titel gewonnen hatte, Stan Wawrinka, setzte den Schlusspunkt unter das bisher beste Spiel in Wimbledon; fünf Sätze mit Rückhand-Duellen in allen Variationen. Früher hatten beide, der Franzose und der Schweizer, den Ruf, Spiele zu verzittern. Über Wawrinka sagt das inzwischen niemand mehr, über Gasquet schon. Aber selbst Wawrinka fand hinterher, sein Gegner habe diesmal mehr riskiert.
In gewisser Weise machte der Sieger damit allen einen Strich durch die Rechnung, die sich darauf gefreut hatten, zum ersten Mal nach 20 Jahren im Halbfinale die aktuell vier besten Spieler zu sehen – Novak Djokovic, Roger Federer, Andy Murray und eben Wawrinka.
Der Franzose bleibt Realist
Gasquet, der schon als Neunjähriger auf dem Titelbild eines französischen Tennismagazins prangte und der mit dem gefährlichen Etikett in die Karriere geschickt wurde, von ihm könne Frankreich dereinst große Taten erwarten, gehört in Sachen Technik sicher zu den Besten des Tennis. Aber da Technik nur ein Teil des großen Puzzles ist, findet Gasquet selbst: „Ich bin sicher der Schlechteste im Halbfinale, wenn man mich in einer Reihe mit Federer, Djokovic und Murray sieht.“ Gemessen an Titeln stimmt das allemal. Federer wird am Freitag gegen Andy Murray zum zehnten Mal in Wimbledon in einem Halbfinale spielen, siebenmal gewann er den Titel; Djokovic steht zum sechsten Mal in Folge im Halbfinale und holte zweimal den Pokal.
Auch interessant
Der letzte Finalist Frankreichs war Cédric Pioline anno ´97 – nach einem Sieg in einem großartigen Spiel gegen Michael Stich. Auch Gasquet weiß, dass es nicht viele gibt, die seinen Sieg am Freitag gegen Djokovic für wahrscheinlich halten. Wawrinka sagt dazu: „Richard spielt sehr gut, aber ich gebe ihm keine große Chance im Halbfinale, weil Djokovic einfach auf einem anderen Niveau ist.“ Der Franzose sieht die Sache genauso, interessanter war seine Reaktion auf die These, er sei nun ein neuer, stärkerer Gasquet. „Das höre ich jedes Mal, wenn ich ein Spiel gewinne“, meinte er nach dem großen Sieg. „Dann verliere ich, und wir sind wieder bei der alten Sch…“ Dann lachte er.
Da macht sich einer keine Illusionen, Gasquets Realismus ist angesichts der Bilanz gegen den Titelverteidiger angebracht: Von zwölf Duellen mit Djokovic gewann er eines vor sieben Jahren.
Federer jagt achten Titel
Djokovic machte nach der Zitterpartie gegen Kevin Anderson beim Dreisatzsieg im Viertelfinale gegen Marin Cilic einen ebenso souveränen Eindruck wie die anderen Halbfinalisten. Keine Frage, dass dieses zweite Spiel am Freitag zwischen Federer und Murray die Massen bewegen wird. Beide fühlen sich dabei an den Sommer 2012 erinnert, in dem sie sich zwei Mal innerhalb weniger Wochen auf dem berühmtesten Tennisplatz der Welt begegnet waren.
Zunächst hatte Federer in Wimbledon seinen siebten und bisher letzten Titel gewonnen und den weinenden Murray bei der Siegerehrung mit den Worten getröstet: Junge, du wirst hier auch gewinnen. Er hatte doppelt recht. Zunächst gewann der Schotte das Finale des Olympischen T}urniers gegen Federer, ein Jahr später erlöste er die Landsleute nach 77 Jahren Wartezeit mit dem Titelgewinn. Federer gewann die letzten drei gemeinsamen Begegnungen, und in diesen Tagen fliegt er von Sieg zu Sieg; er verlor ein einziges Aufschlagspiel und einen einzigen Satz.