London. Dustin Brown hat eine weitere Überraschung in Wimbledon und sein erstes Achtelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier klar verpasst. Auch Angelique Kerber ist raus.

Einigermaßen ratlos saß Barbara Rittner Samstagnachmittag auf einer Bank im All England Club. „Ich war mir sicher, dass ich hier in der zweiten Woche noch was zum Anschauen haben werde“, meinte sie. Aber Schlag auf Schlag waren nacheinander Angelique Kerber, Tatjana Maria und Sabine Lisicki ausgeschieden, auch Dustin Brown hatte sich verabschiedet, und so wird die zweite Woche der All England Championships diesen Montag ohne deutsche Beteiligung im Einzel beginnen.

Brown eilt zum Bundesligaspiel

Als die Bundestrainerin noch auf der Bank sinnierte, war Dustin Brown schon auf dem Weg zum Flughafen; er hatte es eilig, um rechtzeitig zum ersten Spiel der Tennis-Bundesliga für seinen Club Rot-Weiss Köln am Sonntag zur Stelle zu sein. Er hatte sich nichts vorzuwerfen; trotz seines Dauerlaufes von Fernsehstation zu Fernsehstation, von Pressegespräch national zu Pressegespräch international am Tag nach dem großen Sieg gegen Rafael Nadal hatte er 24 Stunden später im Spiel gegen Viktor Troicki konzentriert und frisch ausgesehen.

Im Spiel gegen den 24. der Weltrangliste aus Serbien (4:6, 7:6, 4:6, 3:6) gab es für Brown auch deshalb weniger Freiraum, weil der Serbe deutlich besser aufschlug als Nadal und viel mehr Druck machte. Er fand hinterher, mit dieser Niederlage könne er leben, und in Köln freuten sie sich, Brown in der Bundesliga präsentieren zu können; vom verdienten Ruhm des Sieges über Nadal wird er noch eine Weile zehren können.

Angelique Kerber und Sabine Lisicki verließen Wimbledon geknickt, die eine nach einer Niederlage gegen Garbine Muguruza aus Spanien (6:7, 6:1, 2:6), die andere schnell und umstandslos besiegt von Timea Bacsinszky aus der Schweiz (3:6, 2:6). Kerber hatte wegen eines Turniersieges in Birmingham zum erweiterten Favoritenkreis gehört, und normalerweise sollte man ja meinen, dass es sich mit Selbstvertrauen nach einem Titelgewinn besser spielen lässt. Aber die Sache ist oft umgekehrt: Gerade weil sie gut in Form ist und weil sie weiß, was möglich sein könnte, geht sie unter Druck eher einen Schritt zurück als nach vorn.

Von der Amerikanerin Billie Jean King, die sich einst vehement für gleiche Rechte der Frauen im Profitennis einsetzte, stammt der Spruch: pressure is a priviledge. Will sagen: Sei stolz auf die Herausforderung, nimm sie an und zeig, was du drauf hast. Genau so spielt Timea Bacsinszky in diesem Jahr, und so kann auch Sabine Lisicki an guten Tage spielen.

Fixpunkt des Tennisjahres

Aber dieser Samstag war kein guter Tag; obwohl sie von ihrem Coach Christopher Kas mit der taktischen Marschroute ins Spiel geschickt worden war, die Schweizerin auf deren Vorhandseite zu beschäftigen, tat sie nichts dergleichen und rauschte in die Niederlage. Seit 2009 hatte sie in jedem Jahr mindestens das Viertelfinale erreicht, 2013 sogar das Finale, Wimbledon ist immer der Fixpunkt ihres Tennisjahres; nach einer Niederlage in Runde drei nach Hause fliegen zu müssen fiel ihr nicht leicht.

Die Bilanz der besten deutschen Spielerinnen bei den drei Grand-Slam-Turnieren 2015 liest sich bescheiden. Als einzige landete Julia Görges in der zweiten Woche, in Melbourne und in Paris. Angelique Kerber, Andrea Petkovic und Sabine Lisicki kamen nie über die dritte Runde hinaus.

„Ich glaube, sie müssen alle eine bessere Art finden, mit dem Druck, den sie sich selbst machen, umzugehen“, meinte die Bundestrainerin zum Abschied, bevor sie sich darum kümmerte, einen Rückflug zu buchen. „Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber sie müssen sich einfach freuen, das zu zeigen, was sie können. In diesem Jahr wirkt alles auf mich irgendwie verkrampft,“, sagte Rittner.

So rauscht das Turnier nach dem traditionellen Ruhetag zur Rasenpflege zum ersten Mal seit 2006 wieder ohne deutsche Beteiligung in die zweite Woche. Allerdings auch ohne Titelverteidigerin Petra Kvitova, die am Wochenende völlig überraschend gegen Jelena Jankovic verlor, die immer gedacht hatte, sie können auf Rasen nicht spielen. Weiter im Spiel ist auch Zweimetermann Ivo Karlovic aus Kroatien, der bei jedem seiner drei Auftritte im Schnitt 45 Asse schlug.