Baden. . Trainerin Voss-Tecklenburg tritt mit den Schweizerinnen zum WM-Test gegen Deutschland an und kritisiert die Nachfolgeregelung für Bundestrainerin Neid.

Es ist erst zwei Jahre her, da hat Martina Voss-Tecklenburg mitunter recht entspannte Frühsommerabende verlebt. Beispielsweise hockte die Nationaltrainerin der Schweiz auf einer Holzbank irgendwo in der südschwedischen Kleinstadt Växjö, um sich unweit des deutschen Teamhotels in einem Public-Viewing-Areal ein Gruppenspiel der Frauen-EM anzuschauen. Aber wenn jetzt bald die Frauen-WM in Kanada beginnt, dann sind die Eidgenossen mittendrin. Und weil auf den Novizen gleich zum Auftakt Weltmeister Japan (8. Juni) wartet, lag es nahe, zur Generalprobe das deutsche Frauen-Nationalteam am Mittwoch (17 Uhr/ZDF) auf den Kunstrasen in Baden/Dättwil zu bitten.

Die 125-fache deutsche Nationalspielerin hat in ihrem neuen Job bereits viel bewirkt. „Als ich vor drei Jahren anfing, habe ich sofort gesagt, dass wir in der Schweiz talentierte Spielerinnen haben, sich aber trotzdem etwas verändern muss. Die Mannschaft dachte in erster Linie defensiv.“ Heute dominiert die offensive Anschauung. Mit 28 von 30 Punkten und 53:1 Toren hängte ihr Team in der Qualifikation die EM-Teilnehmer Dänemark und Island locker ab, und zuletzt ging sogar der Weltranglistenfünfte Schweden in einem Test mit 1:3 in die Knie.

Schweiz ist "ein adäquater Gegner"

Voss-Tecklenburg, die bei der WM mindestens das Achtelfinale erreichen will, hat die deutsche Mentalität im schweizerischen Frauenfußball implantiert. „Früher haben wir alles getan, um nicht zu verlieren. Heute wissen wir, dass wir gewinnen können“, heißt es. Ein Mentaltrainer hat dabei übrigens geholfen. Hinzu kommt, dass die besten Spielerinnen ins Ausland gehen, um voranzukommen: Ana-Maria Crnogorcevic vom 1. FFC Frankfurt, Caroline Abbé und Vanessa Bürki vom FC Bayern oder Vanessa Bernauer vom VfL Wolfsburg haben allesamt gerade einen Titel gewonnen, und ihre Stürmerinnen Lara Dickenmann (Olympique Lyon) und Ramona Bachmann (FC Rosengard/ab Sommer VfL Wolfsburg) zählen fast schon zur Weltklasse.

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Bald werden 13 Schweizer Nationalspielerinnen hierzulande in der Bundesliga am Ball sein. Und wer das Niveau im nationalen Alltag nicht hat, der wird von der bisweilen resoluten Cheftrainerin persönlich aufgefordert, Sonderschichten zu fahren.

Die 47-Jährige nimmt ja selbst viele Entbehrungen hin. Dass sie derzeit nur wenige Tage im Monat daheim im niederrheinischen Straelen bei Mann und Tochter weilt, liegt daran, dass sie auch noch die Suisse Academy für talentierte Juniorinnen in Biel leitet. Wenn schon, denn schon. „Die Schweiz hat sich riesig entwickelt, deshalb sind sie ein adäquater Gegner“, stellt auch Bundestrainerin Silvia Neid anerkennend fest. „Martina Voss-Tecklenburg kann auf jeden Fall stolz sein.“

Voss-Tecklenburg nicht kontaktiert

Neids Kollegin sagt ihre Meinung, auch wenn es nicht jedem gefällt. So hat sie es binnen kürzester Zeit zu einem hohen Ansehen gebracht. Eigentlich hätte sie schon aufgrund ihrer Vita – sie arbeitete lange als Verbandssportlehrerin, ehe sie zwischen 2008 und 2011 den FCR Duisburg trainierte – eine Kandidatin für die Nachfolge von Silvia Neid sein müssen. Aber der DFB habe ja mit Steffi Jones sofort die Nachfolgerin präsentiert.

„Ich wurde nicht kontaktiert, das kann ich ja verraten.“ Verstehen muss sie es nicht: „Der DFB verlangt in allen Bereichen eine qualifizierte Trainerausbildung, auch im Frauenfußball. Und nun wird gerade das wichtigste Amt der Bundestrainerin mit jemandem besetzt, der auf dieser Position keine praktische Tätigkeit als Trainer ausgeübt hat – das ist zumindest frag- und diskussionswürdig.“ Aber: Sollte sie irgendwann von höchster DFB-Stelle je noch gefragt werden, „würde ich mir das sicher anhören.“ Da sei sie „nach allen Seiten offen“.