Kontiolahti. .
Marie Dorin-Habert und Gerald Hönig haben in diesen Tagen eines gemeinsam. Die 28-jährige Französin, die nach dem ersten WM-Wochenende zwei goldene Einzelmedaillen und Silber in der Mixed-Staffel abgeräumt hat, befindet sich gedanklich längst auf einer einwöchigen Kür in Kontiolahti. Und auch der Frauen-Bundestrainer legte innerlich bereits die Beine hoch, als Laura Dahlmeier am Sonntag ihr Jagd-Silber mit ins Mannschaftshotel gebracht hatte. „Was jetzt für unser Damen-Team noch kommt, ist Zugabe“, sagt Hönig vor dem Einzelrennen über 15 Kilometer am heutigen Mittwoch (17.15 Uhr/ARD).
Von derart entspannten Bedingungen können Darja Domratschewa und Kaisa Mäkäräinen nach ihren Fehlstarts in die Titelkämpfe nur träumen. Den gesamten Winter über haben die Weißrussin und die Finnin den Weltcup dominiert. Und nun mussten sie, selbst medaillenlos, erleben, wie Dorin-Habert zwei Mal mit der Tricolore-Fahne in der Hand über den Zielstrich fuhr. Die Madame, die in acht Wintern zuvor kein Weltcuprennen gewonnen und fünfeinhalb Monate vor der WM Töchterchen Adèle zur Welt gebracht hattee.
„Ich bin seit ihrer Geburt ein ganz anderer Mensch, irgendwie gereift, sehe die Dinge jetzt entspannter. Eine wirkliche Antwort auf meine Erfolge habe ich aber nicht – vielleicht bin ich einfach stärker als in der Zeit vor Adèle“, sagt die Mama aus Lyon. Beim anstrengenden Einzel schont sich Dorin-Habert für die Staffel und den Massenstart, hat somit mehr Zeit für ihr Baby – und sagt über ihren erfolgreichen Zweitjob als Biathletin: „Ich will meine Leistungen nicht schmälern. Aber es ist schon auch so, dass sich einige Konkurrentinnen im letzten Frühling in den Ruhestand verabschiedet haben.“
Im Gegensatz zu den Männern, bei denen das internationale Niveau im Vergleich zum Vorjahr noch mal angezogen hat, kommt das Frauen-Feld in der postolympischen Saison sehr ausgedünnt daher. Einstige Medaillen-Aspirantinnen wie Tora Berger, Andrea Henkel oder Olga Saizewa haben ihre Karrieren beendet, Anastasiya Kuzmina und Selina Gasparin legen gerade Babypausen ein – so dass von den 20 Besten im Gesamtweltcup 2014 im aktuellen Ranking sieben Namen fehlen.
Die Tipps von den Bergsteigern
„Im Damen-Bereich ist das Niveau so schwach wie seit 20 Jahren nicht mehr“, liefert Wolfgang Pichler eine radikale Einschätzung der Situation. Und der Ruhpoldinger Biathlon-Trainer, der einen Teil des russischen Frauen-Teams auf die Sotschi-Spiele hin trimmte, ehe er wieder ganz nach Oberbayern zurückkehrte, weiß: „Um eine junge Mannschaft aufzubauen, ist jetzt der ideale Zeitpunkt.“
Der nächste Check für diesen Plan steht nun im Einzel an. Gerald Hönigs größte Hoffnungen ruhen dabei erneut auf Laura Dahlmeier. Vor dem Sprint am Samstag holte die begeisterte Skiwandererin wegen der ungemütlichen Wetterlage noch rasch ein paar Tipps bei ihren bajuwarischen Mit-Bergsteigern ein. Das half, und vor dem Klassiker, bei dem die Spezialisten am Gewehr traditionell im Vorteil sind, sagt die 21-Jährige nun keck: „Ich freu‘ mich aufs Schießen.“ Und: „Alles ist möglich.“