Prag. .
Vor sechs Jahren startete „Air Lavillenie“ zum Höhenflug, und wo die Luft dünner wird, da ist der Stabartist aus Frankreich in seinem Element. Der Mann stürmt von Sieg zu Sieg, Niederlagen sind die absolute Ausnahme. Da ganz oben, in der „Renaudsphäre“, ist er schon lange konkurrenzlos. An richtig guten Tagen degradiert der Überflieger seine Gegner zu Statisten. Nur er hat sich mit dem Stab bislang über utopische 6,16 Meter geschwungen. Et voilà: Renaud Lavillenie. Olympiasieger, Europameister und Weltrekordler. Bei der Hallen-EM in Prag will sich der Höhenjäger am Samstag seinen vierten Titel in Serie abholen.
Und den Weltrekord angreifen? Eher nicht. „Bei einer Meisterschaft geht es zuerst darum, Gold zu gewinnen. Erst dann geht es um die Höhe“, sagte Lavillenie vor dem Start bei der Europameisterschaft. „Es fällt mir leichter, sechs Meter zu überspringen, aber 6,17 oder 6,18 Meter – das ist nicht leicht. Ich muss auf einen guten Versuch warten.“
Sprunganlage im eigenen Garten
Als erster Stabhochspringer wurde der 28 Jahre alte Franzose zum „Welt-Leichtathleten“ gekürt. 2014 war das Jahr des Renaud Lavillenie, gekrönt hat er es schon früh: am 15. Februar mit dem Hallen-Weltrekord. 6,16 Meter meisterte der 1,76-Meter-Mann in Donezk – sein Vorgänger Sergej Bubka schaute in seiner Heimatstadt zu. Von 22 Wettkämpfen hat Lavillenie im Vorjahr 21 gewonnen. Fürchtet er bald Motivationsprobleme? Nie. „Ich liebe das, was ich tue. Ich liebe meinen Sport, ich liebe jeden einzelnen Tag“, sagte Lavillenie.
Dass man von Liebe allein nicht leben kann, weiß er auch. Lavillenie ist besessen, ein Sportsmann durch und durch. Und ein Perfektionist. In seinem Garten hat er eine eigene Stabhochsprung-Trainingsanlage aufgebaut. Die Investition hat sich längst ausgezahlt für den Titelsammler vom Cognac AC. „Wenn ich einmal gewonnen habe, will ich den zweiten Sieg. Und nach dem zweiten Mal will ich den dritten Sieg“, erzählte der Sohn eines Stabhochspringers einmal. Schon als Baby hatte Renaud jr. bereits seinen ersten Kontakt mit der Stabhochsprungmatte.
Mittlerweile ist er in 86 Wettkämpfen mindestens 5,80 Meter hoch gesprungen. Im vorigen Jahr holte sich Lavillenie seine fünfte Diamond-League-Trophäe und in Zürich seinen dritten EM-Titel im Freien. Seine letzte Niederlage bis dato kassierte er am 21. August 2014 in Stockholm: „Salto nullo“ bei 5,60 Meter – die vorletzte war aber viel schmerzhafter: Am 12. August 2013 unterlag er im Moskauer WM-Finale dem deutschen Überraschungs-Weltmeister Raphael Holzdeppe.
Die Nummer eins der Welt
Lavillenie ist ganz klar der bessere Hallenspringer: Seit der Saison 2011 war er immer die Nummer 1 in der Welt. Dagegen steht sein „Hausrekord“ im Freien nur bei 6,02 Meter. Sechs-Meter-Sprünge der Konkurrenz sind selten geworden. Bis dato Letzter im illustren „Klub der Sechsmeterspringer“ war Björn Otto: Am 5. September 2012 in Aachen schwang sich der Routinier mit überraschenden 6,01 Metern zum deutschen Rekordhalter auf.