Essen. . Andrea Eskau hat bei olympischen Winter- und Sommerspielen und zuletzt bei der Nordischen Ski-WM abgeräumt – weil sie ihren Sport selbst bezuschusst.

Die querschnittsgelähmte Andrea Eskau ist eine der erfolgreichsten deutschen Sportlerinnen und trotzdem kennt sie kaum einer. Sie gewann schon Gold bei Sommer- wie Winter-Paralympics – und jetzt drei weitere Titel bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften für Behinderte in den USA. Im Interview spricht sie über die Geheimnisse ihres sportlichen Erfolgs, Geld, das Alter und das Dschungelcamp.

Frau Eskau, drei Goldmedaillen, einmal Bronze bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften für Behinderte in Cable in den USA. Das ist sicher eine Bilanz, mit der Sie zufrieden sein können . . .

Andrea Eskau: Ich bin absolut zufrieden, auch wenn das mit dem Biathlon nicht so gut gelaufen ist. Ich konnte ja wegen einer Ohrenentzündung und Erkrankung der oberen Atemwege noch gar keinen Weltcup bestreiten und wusste gar nicht, wo ich stehe. Ich sollte ja überhaupt gar nicht fliegen, damit sich die Ohren nicht wieder entzünden. Aber dieser Trip hat sich definitiv gelohnt.

Mussten Sie einen Eigenanteil für die Reise in die USA leisten?

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Eskau: Nein, mit der Nominierung werden vom Deutschen Behindertensportverband alle Kosten übernommen. Aber ich habe über die Saison eine ganze Reihe von Kosten, die ich selbst bezahle, weil ich halt eine kleine Macke habe und mich perfekt vorbereiten will. Zum Beispiel fahre ich zwei-, dreimal pro Jahr zum Höhentrainingslager nach Livigno. Da reichen die 170 Euro Sporthilfe und die zusätzlich 400 Euro vom Topteam nicht aus. Ich brauche jedes Jahr einen niedrigen fünfstelligen Betrag für den Sport, etwa die Hälfte trage ich selbst. Ich habe ja keinen Sponsor.

Dabei sind Sie eine der erfolgreichsten deutschen Sportlerinnen überhaupt. Sie haben allein im letzten Jahr bei den Paralympics in Sotschi zweimal Gold im Biathlon und Skilanglauf geholt, dann mit dem Handbike zweimal Gold, jetzt wieder drei Titel.

Eskau: Ich renne aber niemandem hinterher. Ich bin jetzt auch nicht ins Topteam für die Paralympics 2018 in Pyeongchang berufen worden. Zwar bekomme ich die finanzielle Unterstützung weiter, weil ich wegen des Themas Handbike im Topteam für Rio 2016 stehe. Ich finde ja gut, dass sie in Richtung Nachwuchs denken. Die müssen den Staffelstab auch irgendwann von mir übernehmen. Aber diese WM war ja nicht so schlecht, und deshalb werde ich auch nachfragen. Vielleicht denken sie ja: Wer weiß, ob die alte Kuh 2018 noch was holt.

Bei den Paralympics 2018 werden Sie fast 47 sein.

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Eskau: Natürlich merke ich, dass ich älter werde. Nach den Paralympics von Sotschi musste ich mich schon zusammenreißen, um bis zur Rad-WM fit zu werden. Auch vor diesem Winter habe ich mir Ruhephasen gegönnt, aber die Leistung stimmt. Ich habe schon die Freigabe von meiner Lebensgefährtin Amira bis 2018. Danach wird Schluss sein. Denn wer Erfolg haben will, muss Opfer bringen.

Sehen Sie denn schon die Nachfolger im deutschen Ski-Team?

Eskau: Alle, die bei dieser WM dabei waren, haben einen Entwicklungsschritt nach vorn nachgewiesen. Mit Vivian Hösch und Martin Fleig haben zwei junge Sportler erstmals Medaillen gewonnen. Da zahlt sich langsam aus, dass zumindest einige Sportler inzwischen halbwegs professionell trainieren können.

Das funktioniert bei Ihnen. . .

Eskau: Ich arbeite im Bundesinstitut für Sportwissenschaft und bekomme die nötigen Freiräume. Alle Trainingslager und Wettkämpfe werden über Sonderurlaub abgewickelt. Dieses Erfolgsmodell ist mal von Minister Schäuble ausgegangen, der die Behindertensportler ähnlich wie die Leistungssportler ohne Handicap fördern wollte. Weil das über die Bundeswehr bei uns nicht so funktionieren würde, wurden in den Ministerien Stellen für die duale Karriere geschaffen.

Hat sich auch die Darstellung des Behindertensports in den Medien in den Jahren Ihrer Karriere entsprechend verbessert?

Eskau: Als ich 2003 mit dem Sport richtig angefangen habe, musste ich mir alle Informationen mühsam zusammensuchen. Das hat sich schon geändert. Ich hatte die gleichen Erfolge bei der letzten Ski-WM – da hat sich niemand interessiert. Jetzt ist das Interesse größer geworden, auch wenn es natürlich noch nicht so groß wie bei den Nichtbehinderten ist. Und es sind ja auch faszinierende Leistungen. Zum Beispiel wenn Läufer ohne Arme einen steilen Anstieg hochlaufen oder sich blinde Menschen so schnell durch die Loipe bewegen. Das Dschungelcamp wird ja auch geschaut, warum also nicht unser Sport?