Tscheljabinsk. .

Die Boykottaufrufe sind verhallt. Wegen der russischen Politik in der Ukraine gehen viele Eisschnellläufer aber mit gemischten Gefühlen in die Europameisterschaft am Wochenende in Tscheljabinsk. An der Schnittstelle der Kontinente im südlichen Ural herrscht derzeit bei minus 26 Grad Celsius eine extreme Kälte.

Jan van Veen, der Trainer der niederländischen Team-Olympiasieger, hatte nach der Krim-Krise und dem Abschuss der MH17-Maschine mit 295 Todesopfern über dem Konfliktgebiet in der Ost-Ukraine zu einem EM-Boykott aufgerufen. Olympiasiegerin Ireen Wüst erklärte daraufhin: „In dem Land stimmt politisch gesehen nicht sehr viel. Meinem Gefühl nach ist es nicht richtig, in Russland meinen Titel zu verteidigen.“ Wüst entschied sich dennoch für den Start und gilt als Top-Favoritin auf ihren vierten EM-Titel in der „Uralskaja Molnija“-Halle, auf Deutsch „Uralblitz“ – der Spitzname der sechsmaligen Olympiasiegerin Lidija Skoblikowa.

Der niederländische Eislaufverband KNSB respektierte die Befindlichkeiten der Athleten, entschied aber, die Titelkämpfe nicht zu boykottieren. „Es ist sinnvoll, Sport und Politik zu trennen. Ich kenne keinen Grund für eine Verlegung“, erklärte auch Isu-Vizepräsident Jan Dijkema aus den Niederlanden.

Kramer für Verlegung

Olympiasieger Sven Kramer forderte, dass der Weltverband Isu das Problem lösen müsse, weil er die Austragungsorte bestimme. „Wenn man mich fragt, hätte ich es auch lieber gesehen, wenn die EM irgendwo anders stattfände“, hatte Kramer vor einigen Wochen gesagt. Er kann nun in Tscheljabinsk Geschichte schreiben und als erster Eisschnellläufer zum siebten Mal den Titel holen. Mit sechs Siegen führt Kramer, der im Vorjahr bei der EM pausierte, bisher gemeinsam mit seinem Landsmann Rintje Ritsma die Rangliste an. Die Gastgeber hielten sich bisher vornehm zurück. „Für uns ist das Wichtigste, dass wir die gleichen Bedingungen für jeden Sportler sichern. Im Fall van Veen verhalten wir uns neutral“, erklärte Ksenia Schanzewa vom russischen Eislauf-Verband.

Ohne große Ambitionen gehen die drei deutsche Eisschnellläufer an den Start. „Ein junges Team, das die Möglichkeit hat, sich an den Hochkarätern zu messen, Erfahrungen zu sammeln“, beschreibt Teamchef Helge Jasch die Ausgangslage. Claudia Pechstein verzichtete wegen der Vorbereitungen auf die Einzelstrecken-WM im Februar in Heerenveen auf ihre Teilnahme. Isabell Ost (Berlin), Jennifer Bay (Inzell) und Jonas Pflug (Berlin) werden kaum Chancen zugetraut, sich dür die Finals der besten acht Läufer über 5000 Meter beziehungsweise 10 000 Meter zu qualifizieren.