München.. Dass die Münchener den Freigänger Uli Hoeneß in der Jugend einsetzen, hat nicht nur einen sozialen Hintergrund. Der Ex-Chef soll auch eine Misere beheben.
Erst morgen wird es auf dem Vereinsgelände des FC Bayern wieder so richtig lebhaft werden. Der Trainingsauftakt der Fußball-Profis steht an, und nebenbei dürfte dieser Mittwoch auch so etwas sein wie der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Nicht nur, weil der langjährige Manager, Präsident und Aufsichtsratschef Uli Hoeneß nach sieben Monaten Haft erstmals wieder gemeinsam mit den Profis auf dem Vereinsgelände arbeiten wird, nun als Freigänger. Sondern auch, weil er erstmals in seinem langjährigen Wirken beim deutschen Branchenführer gewissermaßen ein bisschen gegen die aktuelle Belegschaft arbeiten muss. Zumindest indirekt.
Hoeneß, nachts Gefängnisinsasse wegen Steuerhinterziehung und seit Montag 63 Jahre alt, tritt seine neue Aufgabe mit dem Ziel an, die Nachwuchsarbeit zu verbessern. Gelingt das, erwächst daraus Konkurrenz für Spieler wie den 30 Jahre alten Bastian Schweinsteiger, den Hoeneß früher zuweilen streng, meist aber väterlich nachsichtig gefördert hat. Möglichst rasch sollen die Junioren wie die Profis führend in Deutschland werden. In der Vergangenheit sei der Nachwuchs „etwas zu kurz gekommen“, hat Sportvorstand Matthias Sammer zuletzt eingeräumt.
Schweinsteiger ist neben Philipp Lahm der einzige aktuelle Profi, der mit dem FC Bayern A-Juniorenmeister wurde. 2002 war das. 2004 gelang der U19 der letzte Titelgewinn. Aus dieser erfolgreichen Nachwuchself ist keiner mehr bei den Profis. Und als Deutschland im Sommer 2014 U-19-Europameister wurde, stand in der Landesauswahl ebenfalls kein Kicker von den Münchnern mit ihren nun sechs Weltmeistern im Profikader.
Leistungszentrum platzt aus allen Nähten
Ein Jugendleistungszentrum im Norden Münchens ist auch deshalb in Planung. Das aktuelle auf dem Klubgelände an der Säbener Straße platzt aus allen Nähten, wirft aber auch mangels idealer Bedingungen schon seit längerem nicht genug für den Profikader ab. In der Youth League, der U-19-Parallelveranstaltung zur Champions League, schied der FC Bayern gerade deutlich aus, unter anderem durch ein 0:6 gegen Manchester City, das Talente aus aller Welt zusammenkauft.
Auch bei den Münchnern geht der Trend notgedrungen zu kostspieligen Transfers Hochbegabter. Wie Joshua Kimmich, 19, der am Montag bei RB Leipzig die Vorbereitung auf die Rückrunde der Zweiten Liga aufgenommen hat, aber auch jene auf seine Herausforderung ab Sommer in München. Um die acht Millionen Euro sollen sich die Bayern diesen Transfer kosten lassen. 2,5 Millionen Euro waren es dem Vernehmen nach bei Sinan Kurt, 18, der im Sommer 2014 aus Mönchengladbach kam. Die angestrebte Verpflichtung des norwegischen Ausnahmetalents Martin Odegaard, 16, könnte noch im Januar hinzukommen.
Das Zwei-Säulen-Modell
Es ist also ein Zwei-Säulen-Modell, das der FC Bayern verfolgt und damit auch die alten Wege der Jugendabteilung verlassen muss, um im Konkurrenzkampf der europäischen Topklubs zu bestehen. Das weiß auch Wolfgang Dremmler, als Leiter des Juniorteams der neue Chef von Hoeneß. „Bei uns kommt das weiteste Talent, überspitzt gesagt, aus Obermenzing“, erklärt Dremmler, der sich in den zwischenzeitlichen Debatten um die Abschaffung der zweiten Mannschaft auch für deren Erhalt ausgesprochen hatte. Nachwuchsspieler wie einst Thomas Müller, findet der ehemalige Profi, müssten die Möglichkeit zu einer Zwischenstation bei den Senioren haben, um sich vernünftig weiterentwickeln zu können. Hoeneß dürfte mit seiner Arbeit auch auf diese zweite Mannschaft Einfluss nehmen. Zum Wohl seines FC Bayern.