Essen. Borussia Dortmunds neuer Mann ist auf höchstem Niveau ein unbeschriebenes Blatt - doch die Verantwortlichen können sich keine Experimente erlauben.

Das also meinte Jürgen Klopp neulich, als er sagte, er habe einen klaren Plan für die Rückrunde: Kevin Kampl. Keiner hat ihn so recht auf dem Schirm gehabt, den 24-jährigen, in Solingen groß gewordenen Slowenen, Nationalspieler für den Balkan-Staat, und das nicht umsonst. Ein wendiger, athletischer Techniker, ein Pressing-Spieler nach Klopps Gusto, einer mit Zug in den Aktionen und Übersicht und außergewöhnlichen Anlagen.

Noch hat dieser Kampl etwas, das dem BVB gänzlich abgekommen ist: Leichtigkeit. Kampl lebte diese bis jetzt in Östereich aus und in der Europa League, mit Red Bull Salzburg, gegen Mannschaften, die mitunter abenteuerlicher verteidigen als zurzeit sein neuer Arbeitgeber. Bei Youtube freuen sich findige Hobby-Scouts, dass sich ihre wilden Prognosen, die sie bereits vor Monaten wagten, bewahrheitet haben. Glückstreffer. Für Kampl, seit Kindertagen glühender BVB-Fan, bestimmt. Auch für Dortmund?

Den eigenen Strafraum aus aktuellem Anlass ausgenommen: Die Borussia Dortmund GmbH und Co. KgA ist keine lustige Schießbude, auf einen Glückstreffer werden Trainer Jürgen Klopp, Manager Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ganz bestimmt nicht hoffen. Die Tabelle behandelt schließlich alle gleich, Verein, Fans, Aktionäre. Zehn bis zwölf Millionen Euro soll Kampl gekostet haben. Schonfrist ist bei diesem Preis nicht mitinbegriffen.

Kampls Verpflichtung kann kein Experiment sein

Das wissen sie beim BVB, diese Verpflichtung kann daher kein Experiment sein. Hans-Joachim Watzke hat bereits bekannt gemacht, dass ein Jahr ohne internationales Geschäft (nicht auszudenken, es werden zwei...) den Klub nicht destabilisiert. Darauf läuft es hinaus, auf dieser Grundlage muss er planen. Heißt: Kampl ist eine handfeste Investition, ist zum Einschlagen verdammt.

Dortmund holt kaum noch einen „fertigen“ Spieler an die Strobelallee, das ist auch bekannt. Selbst Henrikh Mkhitaryan mit seinen rund 25 Millionen Ablöse ist auf hohem Niveau noch Talent, nämlich vor dem Tor, und lässt seit seiner Ankunft vor eineinhalb Jahren auf den ganz lauten Knall warten. Auch Ciro Immobile, als Nachfolger von Robert Lewandwski geholt, würde Eingewöhnungszeit brauchen, hieß es im Dortmunder Umfeld, und diese auch bekommen. Das war im Sommer.

Heute, nicht einmal sechs Monate später, steht Dortmund nach einer katastrophalen Hinserie und zehn Niederlagen (das sind drei mehr als in der gesamten Vorsaison), auf einem Abstiegsplatz. Die Zeit läuft davon. Kampl wurde also sicher nicht geholt, um ihn behutsam aufzubauen. Von der quirligen Pressingmaschine mit dem extravaganten Blondschopf wird erwartet, dass er sofort funktioniert.

Angenommen, Kampl schlägt tatsächlich ein. Volltreffer statt Glückstreffer, seine zweifelsohne vorhandenen Fähigkeiten bringen Dortmund ab dem 31. Januar, zum Rückrundenauftakt in Leverkusen, gewinnbringend weiter:

Kampl könnte neuer Zielspieler werden

Im besten Fall ist er plötzlich der neue Zielspieler, derjenige, der Shinji Kagawa, Henrikh Mkhitaryan, immer mal wieder Marco Reus (Könnte Kampl bereits sein Nachfolger sein?) und zuletzt Ilkay Gündogan die Last abnimmt, bei aller Tristesse zwingend kreativ zu sein. Der, der dem wie zuletzt in Bremen planlosen Ballgeschiebe neuen Sinn stiftet.

Dann wird er den Konkurrenzdruck erhöhen und dem einen oder anderen etablierten Kicker mehr Zeit auf der Bank bescheren als geahnt. Zeit, die ihnen gut tun könnte. Ausgeruht arbeitet es sich nun mal besser.

Und wenn der Neue die oft üblichen, immer verzeihlichen Anlaufprobleme hat? Wenn er sich nun auch diesen schwarz-gelben Verlierer-Virus fängt, dessen Symptome jedem bekannt sind, aber nach dessen Ursachen immer noch erfolglos geforscht wird?

Nun hat der 24 Jahre junge Kampl tatsächlich schon ein Drittel seines Profifußballertums hinter sich. Leverkusen II, in 2011 ganz kurz mal I, Greuther Fürth, Osnabrück, zwei Monate Aalen und dann Red Bull Salzburg sind seine bisherige Stationen. Auf Bundesliga-Niveau gesprochen: Gestanden ist anders. Allein: Auf besagtem Niveau bewegen sich auch seine künftigen Mannschaftskollegen aktuell viel zu selten. Kann also nicht schlimmer werden. Willkommen beim neuen BVB.