Ruka.

Die erlösende Nachricht aus dem Krankenhaus kam für die deutschen Skispringer noch am späten Samstagabend. Andreas Wellinger hat seinen Horrorsturz beim Weltcup-Springen im finnischen Ruka offenbar ohne schwere Verletzungen überstanden. Am Sonntag trat er mit der Mannschaft die Heimreise an. Erst zu Hause sollen weitere Untersuchungen zeigen, ob es Haarrisse oder Bänderverletzungen gibt. Knochenbrüche aber sind ausgeschlossen.

Bundestrainer Werner Schuster nahm das mit ebenso großer Freude auf wie zuvor den dritten Platz seines Musterschülers Severin Freund, der erstmals in der noch jungen Saison den Sprung auf das Siegerpodest schaffte und dabei nur sechs Zähler Rückstand auf die punktgleichen Sieger Simon Ammann (Schweiz) und Noriaki Kaisai (Japan) hatte.

Neue Qualität im deutschen Team

„Für den Sevi freue ich mich besonders. Er ist auf dem richtigen Weg, macht Fortschritte. Er ist noch lange nicht an der Leistungsgrenze angekommen“, sagte Schuster. Das weiß auch der Rastbüchler. „Bei beiden Sprüngen hatte ich einen Wackler. Aber Podest im dritten Wettkampf der Saison – das ist super. Das ist genau das, was man sich wünscht. Ich gehe glücklich heim“, sagte Freund.

Seine Platzierungen bislang sprechen für stetige Steigerungen und Verbesserungen. 16, 7, 3 – die von Schuster erhofften und erwarteten Siegleistungen sollten in absehbarer Zeit folgen.

Genau das ist die neue Qualität im deutschen Team. Das Anspruchsdenken hat sich nach dem Mannschafts-Olympiasieg von Sotschi und dem Skiflug-WM-Titel von Freund im vergangenen Winter verändert. „In der Mannschaft steckt noch ganz viel Potenzial. Momentan fehlt noch die Konstanz in den Sprüngen, die Jungs verfallen im Willen, möglichst weit zu springen, immer mal wieder in alte Muster, machen kleine, dann aber entscheidende Fehler. Deshalb kann ich noch nicht richtig zufrieden sein“, analysierte Schuster die ersten drei Einzelspringen und wiederholte seine Zielstellung: „Wir wollen in jedem Wettkampf um den Sieg mitspringen.“

Freund sollte dazu nun in der Lage sein. Inwieweit Wellinger das kann, bleibt abzuwarten. Der 19-Jährige war auf Schusters Liste derjenige, der schon zum jetzigen Zeitpunkt als deutscher Siegspringer infrage kam. In Klingenthal machte er nach der Halbzeitführung einen Fehler und wurde Dritter. Am Freitag wollte er nach der größten Weite in der Qualifikation zu viel und musste sich mit Rang 14 begnügen. „Am Samstag wollte er gewinnen und hat überzogen“, sagte Schuster.

Kein Vorwurf gegen die Jury

Seine Analyse des Sturzes ergab, dass Wellinger zu früh abgesprungen war. „Er steht steil in der Luft und bekommt dadurch zu viel Luft unter den Ski.“ Damit schloss er aus, dass die in Ruka gefürchteten Windböen, die in der Vergangenheit schon mehrfach für schlimme Stürze verantwortlich waren, ausschlaggebend gewesen sein könnten. Ausdrücklich nahm der Bundestrainer die Jury in Schutz: „Sie hat keinen Fehler gemacht.“ Fraglich ist nun, wie Wellinger das Erlebnis psychisch verarbeitet. „Er kannte bislang keine Angst, ist immer unbeschwert gesprungen. So einen Sturz muss er erstmal aus dem Kopf bekommen“, sagte Schuster. Inwieweit ein Sportpsychologe herangezogen wird, werde man entscheiden, wenn der Berchtesgadener wieder an Skispringen denkt. „Jetzt muss er sich erstmal erholen und die Prellungen auskurieren.“

Dass sein Team solche Negativerlebnisse wegstecken kann, dessen ist sich der Coach aber nun sicher. „Ich bin so stolz auf die Mannschaft. In der steht einer für den anderen ein“, sagte der Bundestrainer.