Münster. Im Boxzentrum Münster fliegen nicht nur die Fäuste: Die Kinder und Jugendlichen werden auch geistig gefordert. WestLotto unterstützt den Verein.
Der Ton in der Halle ist rau aber herzlich: 1, 2, 3, 4 – die Boxhandschuhe schnellen vor, der Sandsack wird mit gezielten Schlägen immer wieder bearbeitet. Alle Augen sind auf die Jungs und Mädchen gerichtet, die es schon so weit gebracht haben. Von der Tribüne schauen die anderen ihren Vorbildern zu. Gleich müssen sie wieder zu den Büchern. Denn im Boxzentrum Münster gilt: Kein Sport ohne Lernen!
Sich nicht nur körperlich, sondern auch geistig auspowern: Für viele der Kinder und Jugendlichen im Boxzentrum ist das eine ganz neue Erfahrung. „Sie kommen hierher und wollen der größte Schläger Münsters werden“, weiß Marliese Kosmider. Die ehemalige Oberstudienrätin ist mittlerweile in Rente und leitet jetzt die Hausaufgabenbetreuung des Vereins. „Das ändert sich aber ganz schnell, wenn sie sehen, dass sie auch auf ganz andere Weise Erfolg haben können.“ In die Schule gehen und auch dort Leistung bringen – das ist die Bedingung um überhaupt die Boxhandschuhe überstreifen zu dürfen und sorgt für die nötige Motivation. Plötzlich möchten alle lernen um dann in den Boxring steigen zu dürfen.
Gegenseitiger Respekt ist Grundvoraussetzung
Drei Mal pro Woche bekommen die Sportlerinnen und Sportler hier Nachhilfe. Die bunte Truppe aus Deutschen, Migranten, Flüchtlingen, Jungen und Mädchen trainiert und lernt zusammen. Ein Problem damit hat keiner. Gegenseitiger Respekt und das Einhalten von Regeln sind hier Grundvoraussetzung um Mitmachen zu dürfen.
Wer zum Beispiel zu spät kommt, muss erst eine Runde Liegestützen machen. „Wir schließen mit den Kindern und Jugendlichen, die zu uns kommen, einen Vertrag ab. Darin wird genau festgehalten, welche Ziele sie erreichen wollen“, sagt Klara Recker, zweite Vorsitzende des Vereins.
Ahmet* kam ganz alleine nach Deutschland
Mit Erfolg. Nicht nur im Ring boxen die Sportler sich durch, sondern auch im Leben. Viele sind bereits einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, weil sie keine Perspektive für sich gesehen haben. Andere haben sich noch nie ernsthaft für die Schule interessiert. Oder sie kommen nicht mit, weil sie aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind und zuerst mit sprachlichen Problemen zu kämpfen hatten.
So auch Ahmet. Als Flüchtling kam er mit 16 Jahren nach Münster. Den weiten Weg von Afghanistan nach Deutschland ist er zu Fuß gelaufen. Mehrere Tausend Kilometer legte er zurück in ein Land, dessen Sprache er nicht spricht und in dem er niemanden kennt.
Erfolg beim Sport und in der Schule
„Im Boxzentrum habe ich Deutsch gelernt. Seitdem ich hierherkomme, klappt es auch in der Schule gut“, sagt Ahmet. Vier Mal pro Woche geht er zum Training und drei Mal zur Hausaufgabenbetreuung. „Dadurch habe ich viele neue Freunde gefunden.“
Aber nicht nur in der Schule ist der heute 18-Jährige ehrgeizig. Auch beim Boxen lernt er immer mehr dazu und hat den Verein bereits in zwei Kämpfen vertreten. Er arbeitet hart daran, sich immer weiter zu verbessern. „Ich gucke nach vorne und nicht auf das, was in der Vergangenheit war“, sagt Ahmet. Dieses Selbstbewusstsein hat er sich im Boxzentrum Münster erkämpft. Sein großer Traum? „Erst einmal Deutscher Meister werden und dann immer weiter nach oben“, grinst er.
Prämiertes Konzept
Das Konzept, Boxen und Lernen zu verbinden, geht auf Prof. Dr. Farid Vatanparast zurück. Der ehemalige deutsche Profi-Boxer stammt selbst gebürtig aus dem Iran und weiß, wie es ist, in einem fremden Land Fuß fassen zu müssen. Der Sport hat ihm dabei geholfen. Auch dann noch, als ein Unfall seine sportliche Karriere von einem Moment auf den anderen beendete.
Das will er mit dem Projekt „Farid‘s QualiFighting“ auch an die Kinder und Jugendlichen im Boxzentrum Münster e.V. weitergeben. Sie sollen lernen sich durchzusetzen – aber auf gesellschaftlich konforme Weise und durch ihre Persönlichkeit. Dafür wurde das Programm mit zahlreichen Preisen belohnt, unter anderem auch mit dem bundesweiten Innovationspreis „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“.
Lernen fürs Leben
Im Boxzentrum geht es nicht darum, wer am härtesten zuschlagen kann. „Nicht getroffen zu werden ist das oberste Ziel“, erklärt Klara Recker. Selbstbewusstsein, Selbstbeherrschung, Mut, Disziplin, Schnelligkeit sowie Entschlossenheit werden gelehrt und daraus folgt eine Gib- Niemals- Auf- Haltung.
Im Boxzentrum Münster ist jeder willkommen. Trainieren darf aber nur derjenige, der sich auch an die Regeln hält. Wer Abmachungen missachtet, bekommt Trainingsverbot. Auch wer in der Schule fehlt oder nicht mitmacht, muss beim Boxen pausieren. Deshalb besteht viel Austausch zwischen Schule und Nachhilfelehrern und alle müssen regelmäßig ihr Zeugnis vorzeigen. „Wir handeln nach dem Motto `Fördern und Fordern‘“, so Marliese Kosmider.
WestLotto ist der größte Förderer des Sports in NRW
Unterstützt wird das Boxzentrum Münster e.V. dabei zum Beispiel von der Stadt Münster und dem Landessportbund NRW. Auch die Lottospieler helfen dank des Lotto-Prinzips mit, dass die Sportvereine in unserem Land solche Projekte umsetzen können. Rund 40 Prozent der Spieleinsätze der Tipper bei WestLotto gehen an das Land NRW, das daraus wiederum gesellschaftliche Träger aus Wohlfahrt, Kunst, Kultur, Natur, Umwelt und Denkmalschutz und dem Sport fördert.
Etwa 80 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 19 Jahren aus ganz unterschiedlichen Nationen profitieren derzeit vom Angebot des Boxzentrum Münster e.V. Viele davon kommen aus sozialen Brennpunkten und nutzen ihre Chance, auf diesem Weg Unterstützer zu gewinnen. Farid´s QualiFighting bedeutet für sie den K.O. für schlechte Noten und ist der Start in eine neue Zukunft. Klara Recker: „Wir wollen dieses Konzept weitertragen, unterstützen Sie uns dabei!“
Weitere Informationen zum Angebot des Boxzentrum Münster e.V. gibt es auch online unter www.boxzentrum-muenster.de
*Name geändert