Essen. Welche Lotto-Zahlen sind gut, welche sollte man lieber meiden? Ein Gespräch mit Prof. Karl Bosch über Wahrscheinlichkeiten und Glückszahlen.
Mit einem einzigen Euro Einsatz 100.000 Euro gewinnen können – oder gleich die Million: Das macht die Faszination des Lottospiels aus. Und natürlich versucht jeder, seinem Glück irgendwie auf die Sprünge zu helfen. Warum Glückszahlen auch unglücklich machen können und es sich lohnt, nicht nur über die eigene Strategie nachzudenken, sondern auch über die der Mitspieler, das erklärt Mathematiker und Statistiker Prof. Karl Bosch.
Herr Bosch, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Strategien beim Lottospiel. Für Ihr neuestes Buch „Das aktuelle Lottobuch: So gewinnt man mehr“ haben Sie etwa sieben Millionen Lottoreihen ausgewertet – alle Reihen, die an einem Samstag in Baden-Württemberg getippt worden sind. Wollten Sie dem Zufall auf die Schliche kommen?
Karl Bosch: Zunächst einmal muss man klarstellen: Jede der insgesamt knapp 14 Millionen möglichen Tippreihen – oder auch knapp 140 Millionen, wenn man die Superzahl berücksichtigt – hat die gleiche Chance, gezogen zu werden. Es gibt zwar immer wieder Leute, die meinen, bestimmte Zahlen hätten Nachholbedarf, weil sie ja schon länger nicht mehr da gewesen seien, aber wie soll das möglich sein? Das Ziehungsgerät hat schließlich kein Gedächtnis. Das Spiel beginnt mit jedem Ziehungsprozess völlig neu, deshalb kann man auch jedes Mal eine ganz neue Strategie und ganz andere Zahlen wählen. Oder auch die gleichen Zahlen.
Aber niemand tippt eine Reihe, die gerade erst gezogen wurde, oder?
Bosch: Na ja, die Wahrscheinlichkeit, dass die Gewinnreihe der letzten Ziehung ein zweites Mal gezogen wird, ist genauso hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass eine andere Reihe gezogen wird. Und tatsächlich ist es sehr beliebt, die bereits gezogene Reihe beim nächsten Mal zu tippen. Vermutlich denken viele Leute, dass sie die einzigen sind, die so spielen. Aber wenn die Reihe jetzt ein zweites Mal käme, wären die Quoten für die Gewinner ziemlich schlecht. Es gibt tatsächlich so einen Fall: Da wurde eine Reihe zweimal gezogen. Beim ersten Mal war sie sehr unbeliebt, beim zweiten Mal gab es plötzlich 20 Sechser.
Es geht Ihnen also nicht darum, den Zufall vorherzusagen – sondern die bestmögliche Gewinnquote?
Bosch: Genau. Wenn ich eine Reihe wähle und die gewinnt, liegt das nicht an meinem genialen Auswahlverfahren. Ich hatte einfach nur Glück. Man kann nicht gegen den Zufall tippen, wohl aber gegen die Mitspieler. Sie müssen also Reihen auswählen, die eine höhere Quote versprechen.
Dazu wiederum sollten Sie wissen, wie die Mitspieler tippen. Und genau das hat Ihnen die Auswertung, zumindest tendenziell, verraten.
Bosch: Richtig. Die beliebtesten Zahlen meiner Auswertung waren, der Reihe nach: 19, 9, 7, 17, 10, 11, 18.
Die 19 wurde 32,7 Prozent über dem Durchschnitt getippt, die 18 noch 19,4 Prozent.
Warum liegt gerade die 19 an erster Stelle?
Bosch: Viele Menschen tippen Geburtstagsreihen. Die 19 ist die Jahrhundertzahl und deshalb mit Abstand die beliebteste Zahl. Sie könnte nun im Laufe der Zeit natürlich durch die 20 abgelöst werden.
Und welche Zahlen sind die Außenseiter beim Lotto?
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Bosch: Die unbeliebteren Zahlen waren, der Reihe nach, 36, 43, 35, 29, 42, 44. Die 36 wurde 26,2 Prozent unter dem Durchschnitt getippt, die 44 noch 19,6 Prozent unter dem Durchschnitt. Das sind alles Zahlen, die eher am Rand des quadratischen Tippfeldes liegen, während sich die beliebten Zahlen mehr in der Mitte und im oberen Bereich befinden. Auffällig war: Keine der beliebten Zahlen liegt in den letzten beiden Zeilen des Tippfeldes, also in Zeile sechs und sieben.
Also sollte man am besten auf diese Zahlen setzen?
Bosch: Natürlich könnte ich jetzt hergehen und die unbeliebten Zahlen der Reihe nach tippen. Allerdings muss ich darauf achten, dass die Tippreihe kein beliebtes Muster ergibt. Denn was die Reihen angeht, ist alles beliebt, was schön aussieht auf dem Tippzettel: Diagonalen, Horizontalreihen, geometrische Figuren, zum Beispiel Rechtecke, Parallelogramme, Dreiecke, Kreise. Oder eine Reihe, die aussieht wie ein Buchstabe. Einmal war die Gewinnreihe dem Buchstaben U ähnlich. Die Quoten waren sehr niedrig. Das alles sollte man also meiden.
Gibt es eine besonders beliebte Reihe?
Bosch: Die insgesamt beliebteste Reihe meiner Auswertung war 1-9-17-25-33-41 – das ist die Diagonale im Tippfeld von links oben nach rechts unten. Die wurde mehr als 8000 Mal über dem Durchschnitt getippt. Wenn also diese Reihe gezogen würde, gäbe es für einen Sechser nicht mal 1000 Euro. Da würden sehr viele Leute am Samstagabend feiern – und dann am Montag, wenn die Quoten bekannt gegeben werden, feststellen, dass sie nicht einmal die Kosten ihrer Feier gewonnen haben.
Eine Strategie für bessere Quoten
Welche Strategie empfehlen Sie?
Bosch: Man sollte zum Beispiel Zahlen tippen, die mehr am Rand des quadratischen Tippfelds liegen, und auch in den unteren Reihen, also die größeren Zahlen berücksichtigen. Aber auch hier darf sich kein Muster ergeben. Wenn Sie sechs Zahlen untereinander oder nebeneinander am Rand haben, ist das wieder eine beliebte Tippreihe. Das ist das Merkwürdige, dass sechs Zahlen, die jede für sich eigentlich unbeliebt sind, dennoch im Ganzen eine Reihe ergeben können, die sehr beliebt ist.
Dann würde die ganze Strategie nach hinten losgehen. Gibt es weitere Beispiele für Spielstrategien, die nur vermeintlich schlau sind?
Bosch: Ja, man könnte etwa bewusst Geburtstagsreihen meiden und deshalb nur Zahlen über 31 tippen. Allerdings hat sich in meiner Auswertung gezeigt, dass das offenbar eine verbreitete Methode ist. Gewinnen also ausschließlich Zahlen über 31, kann die Quote wieder recht gering sein. Insgesamt gibt es nur 18.564 verschiedene Tippreihen mit lauter Zahlen über 31. Wenn sich viele Personen auf diese Reihen stürzen, wird jede sehr oft getippt.
Und nun?
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Bosch: Am besten beraten ist wohl derjenige, der den Zufall imitiert. Man könnte zum Beispiel Karten nehmen, darauf die Zahlen von 1 bis 49 schreiben, ohne 19 und 20, und sechs Karten ziehen. Dann schaut man sich die entstandene Reihe am besten nochmal an und prüft, dass sie kein Muster auf dem Tippschein ergibt. Sonst muss man neu mischen und noch einmal ziehen. Eine andere Möglichkeit: Man lässt bei der Abgabe des Lottoscheins einfach die Reihen zufällig erzeugen.
Und wenn nun jemand feste „Glückszahlen“ hat?
Bosch: Es gibt keine Glückszahlen. In manchen Zeitschriften wurden früher Glückszahlen für Tipper veröffentlicht. Es wäre das Ungeschickteste, die zu tippen – denn das würden vermutlich viele tun. Und wer jedes Mal die gleichen Zahlen, seine „Glückszahlen“, tippt, ist darin gefangen. Denn stellen Sie sich mal vor, er würde ein einziges Mal etwas anderes tippen oder vergessen, den Tippschein abzugeben, und dann würde eine seiner Tippreihen die Gewinnreihe sein. Man sollte einfach bei jedem Spiel ganz neu tippen.
Spielen Sie eigentlich auch Lotto – oder werten Sie nur aus, was andere gespielt haben?
Bosch: Ich spiele selber auch, natürlich keine beliebten Reihen. Einen Sechser habe ich bisher noch nicht gehabt. Aber wenn ich mal einen Dreier oder Vierer habe, kann ich mich immerhin über besonders hohe Quoten freuen.