Mit seinen Brüdern hat er das Unternehmen Ubisoft aufgebaut: Yves Guillemot steht seit 25 Jahren an der Spitze des französischen Spieleentwicklers. In Zukunft will er auf neue Zielgruppen, aber auch auf etablierte Marken setzen.

Nicht selten verbindet man die führenden Köpfe von großen Spieleherstellern mit geschäftlicher Haifisch-Mentalität und dem gezielten Abtöten künstlerischer Intention. Ganz anders dagegen Ubisoft-Chef Yves Guillemot: Der 50-jährige Vorstandsvorsitzende erscheint eher wie ein kreativer Visionär und Entwickler denn wie ein trockener Geschäftsmann.

Obwohl auf den ersten Blick eher unscheinbar, macht der kleine Franzose großen Eindruck. Seine ruhige, bestimmte Gestik und sein freundliches, offenes Wesen vermitteln so gar nicht den Anschein von Routine, wie man ihn sonst von Firmen-Vertretern in seiner Position gewöhnt ist. Nicht umsonst wurde Guillemot im Rahmen der "Lara Game Awards" für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

25 Jahre Ubisoft und 25 Jahre an der Konzernspitze: Damit gehört Yves Guillemot zu den wenigen Bossen der Gamesbranche, die nicht in den Vorstand berufen worden sind, nachdem sie vorher Speiseeis oder andere, wenig spieleaffine Produkte verkauft haben. Nein, Yves Guillemot hat das in Paris ansässige Vertriebsunternehmen der Familie, das Anfang der 80er-Jahre vor dem Bankrott stand, zusammen mit seinen Brüdern komplett umgekrempelt - und zwar zugunsten der damals noch blutjungen Spielebranche.

"Ich alleine habe hier keine Entscheidungsgewalt"

Grund für diese Entscheidung sei laut Guillemot aber nicht allein der zunehmende Games-Boom gewesen, sondern vor allem die persönliche Leidenschaft für Spiele und Spielhallen, die alle Guillemot-Brüder teilten. "Früher habe ich viel gespielt, inzwischen übernehmen das meine Kinder für mich (14, 17 und 20 Jahre alt, Anm. d. Red.). Sie dabei zu beobachten, wie sie seit jeher die unterschiedlichsten Arten von Games spielen, das war schon immer faszinierend", erklärt er schmunzelnd die interne Marktforschung im Hause Guillemot.

Ubisoft-Chef Yves Guillemot hat gut lachen: Vor Kurzem wurde er für sein Lebenswerk im Rahmen der
Ubisoft-Chef Yves Guillemot hat gut lachen: Vor Kurzem wurde er für sein Lebenswerk im Rahmen der "Lara Game Awards" ausgezeichnet.

Zwar sei er selbst kein Entwickler. Dennoch verbringe er die Hälfte seiner Zeit damit, als ständiges Mitglied in einem Team von Spiele-Spezialisten jede Entwicklung des Konzerns eingehend zu verfolgen und neue Projekte zu verabschieden. "Hier kommentiere ich, was mir gefällt und was nicht - aber ich alleine habe hier keine Entscheidungsgewalt. Dafür fehlt mir schlussendlich auch die Kompetenz", gibt Guillemot ohne Umschweife zu.

Die restlichen 50 Prozent seines Tagesgeschäfts machen laut eigener Angabe weniger spannende Dinge wie rechtliche und monetäre Querelen und Personalien aus. Aber sein primäres Interesse gilt nach wie vor den Games, für deren Entstehung er sich immerhin seit 1986 einsetzt: Zu diesem Zeitpunkt wurde aus der Vertriebsfirma der fünf Guillemot-Brüder Ubisoft - ein Unternehmen, das nicht nur Spiele vertreibt, sondern sie auch selbst entwickelt.

"Rayman" brachte den internationalen Durchbruch

Den Anfang machte man mit dem von George A. Romeros "Dawn of the Dead" inspirierten "Zombi", 1995 folgte mit dem putzigen Jump&Run "Rayman" schließlich der internationale Durchbruch. Heute beschäftigt Ubisoft mehr als 6.000 Angestellte - darunter allein im kanadischen Montreal rund 1.500 Spiele-Experten, die an engagierten Titeln wie der "Assassin's Creed"-Serie, aber auch den "Prince of Persia"-Episoden arbeiten.

Guillemot selbst - ein großer Fan von Innovationen und ehrgeizigen Spielkonzepten - ist dieser Tage aber vergleichsweise vorsichtig, wenn es darum geht, in risikoreiche Neuerungen zu investieren: "Am liebsten wäre es mir, wir könnten alle paar Jahre eine neue Konsolengeneration begrüßen, denn zu keinem anderen Zeitpunkt ist die Spielentwicklung so spannend.

Die Entwickler können aus neuen Möglichkeiten schöpfen, kreative Dimensionen erschließen - und auch die Kunden sind wesentlich offener für Innovationen, als es aktuell der Fall ist." Aber: "Innovation bedeutet immer auch Risiko: Je frischer ein Spielkonzept ist, desto mehr Fehler hat es auch - und nur wenn eine Hardware noch jung ist, sind die Kunden bereit, diese Fehler zu ignorieren und es trotzdem zu kaufen. Inzwischen gibt es so viele gute Spiele - da erwarten die Käufer nicht weniger als Perfektion."

Etablierte Marken sind wichtiger als Casual Games

Umso wichtiger sei es, so Guillemot, die Erschließung neuer Zielgruppen voranzutreiben - etwa durch neue Interface-Techniken wie die von Nintendo DS und Wii oder PlayStation Move und Kinect. Aber auch stereoskopische 3D-Grafik sei mehr als ein "bloßes Gimmick" und habe das Zeug dazu, eine neue Käuferschaft zu aktivieren, weil sie "einen völlig neuen Grad der Immersion", also des Eintauchens in eine virtuelle Welt, biete.

Allerdings war Ubisofts Engagement für diese neuen Zielgruppen nicht immer von Erfolg gekrönt. Vor allem der stark rückläufige DS-Markt hat dem Unternehmen zugesetzt und wie bei so vielen großen Publishern für Verluste gesorgt. So hat Ubisoft im Geschäftsjahr 2009 bei einem Umsatz von 871 Millionen Euro ein Minus von 44 Millionen Euro erwirtschaftet. In Kürze werden die Zahlen für das Jahr 2010 veröffentlicht.

Obwohl man mit sogenannten Casual Games für Gelegenheitsspieler immerhin noch 40 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftet, seien etablierte Marken wie "Assassin's Creed" oder "Ghost Recon" für den Konzern wichtiger. "Core-Gamer sind einfach teuer" erklärt Guillemot. "Haben sie an einem Spiel einen Narren gefressen, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass sie auch die Fortsetzung kaufen. Gelegenheitsspieler sind weniger anspruchsvoll, aber auch nicht so zuverlässig: Ihnen geht es um den Spaß, um das Zusammensein, um den Moment, mit Markentreue haben sie nicht viel im Sinn."

Auf Innovation gesetzt

Darum setzen Guillemot und seine Kollegen aus der Spiele-Entwicklung auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten noch immer auf Innovation: die herrlich abgedrehte Götter-Simulation "From Dust" von "Another World"-Erfinder Eric Chahi kommt im Gegensatz zum Kinect-Experiment "Project Eden" des japanischen "REZ"-Schöpfers Tetsuya Mizuguchi und Michel Ancels neues "Rayman"-Abenteuer aber nicht in einer schicken Box daher. Es wird ausschließlich als Download angeboten. Auf diese Weise minimiert man das Risiko und erreicht genau diejenigen Kunden, die sich für diese Sorte Spiel interessieren - Insider. Und das für einen äußerst humanen Preis. Download-Titel auf den Online-Vertriebsplattformen der Konsolenhersteller kosten selten mehr als 15 Euro.

Man bleibt also ganz und gar Franzose - und die sind schließlich Kunstliebhaber. Das beweist auch die aktuelle "Assassin's Creed"-Ausstellung im Münchener Haus der Kunst: Pünktlich zu den Münchener Medientagen präsentiert Ubisoft über 30 Skizzen und Kunstwerke aus dem Entwicklungsprozess des Adventures, am 11. April wird ein zweiter Ausstellungsteil eröffnet.