Ruhrgebiet. Sind 58 Euro für das Deutschlandticket schon zu teuer? Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat erste Zahlen veröffentlicht.
Das Deutschlandticket ist zum Jahreswechsel teurer geworden – hat das Kunden gekostet? Immerhin ist der Preis von 49 Euro auf nun 59 Euro geklettert, ein Sprung von rund 18 Prozent. Wir haben nachgefragt. Eine erste Bilanz
Hat die Verteuerung zu einem Kundenrückgang geführt?
Nein – oder kaum. Trotz der deutlichen Preiserhöhung beim Deutschlandticket für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in Deutschland sind die meisten Nutzerinnen und Nutzer dem Abo treu geblieben. „Wir sehen definitiv keine Kündigungswelle durch die Preiserhöhung“, sagte der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann. Die Kündigungsquote lag dem Verband zufolge im Januar 2025 bei 8,1 Prozent. Im Jahr 2024 lag sie monatlich bei rund sieben Prozent. Natürlich führe ein Preisanstieg von 20 Prozent dazu, dass einige Nutzerinnen und Nutzer das Abo aufgäben, sagte Wortmann. „Aber der Jahreswechsel ist schon immer ein Zeitpunkt gewesen, an dem Kundinnen und Kunden ihre Verträge danach prüfen, wo sie gegebenenfalls etwas sparen können.“
Was sagen die Verkehrsunternehmen in der Region?
„Aktuell sind unsere Zahlen in Essen und Mülheim stabil“, meldet die Ruhrbahn. Auch die Dortmunder DSW21 „beobachtet keine Auffälligkeiten bei den Kündigungsquoten“, auch wenn grundsätzlich mit dem monatlich kündbaren Deutschlandtickets mehr Bewegung in den Abo-Markt gekommen sei. Es werde öfter bedarfsbezogen genutzt. Ebenso sieht es in Bochum, Gelsenkirchen und Witten bei der Bogestra aus. Die detaillierten Auswertungen laufen hier wie in vielen Städten noch.
Die Vestische Straßenbahnen GmbH im Emscher-Lippe-Raum stellt allerdings einen Rückgang von fast zwei Prozent fest. „Dieser ist allerdings nicht allein auf die Preisanpassung zurückzuführen“, sagt Pressesprecher Jan Große-Geldermann. Im Dezember hätten viele Menschen gezielt Deutschlandtickets für die Vorweihnachtszeit gekauft, um beispielsweise entspannter zum Einkaufen und zu Weihnachtsmärkten zu fahren. Einige sind nun offenbar wieder abgesprungen.
Beim DeutschlandTicket Sozial sind zudem einige Berechtigungsnachweise zum Ende des Jahres ausgelaufen. Damit endeten rund 400 Verträge im Bereich der Vestischen automatisch. „Wir gehen davon aus, dass viele der KundInnen zurückkehren, sobald sie neue Berechtigungsnachweise haben“, erklärt Große-Geldermann. „Die ersten Anträge sind bereits eingegangen.“ Berücksichtige man diese Aspekte, liege der tatsächliche Rückgang bei etwa einem bis eineinhalb Prozent – vermutlich durch die Preisanpassung.
Wechseln Kunden in klassische VRR-Tarife zurück?
Eher das Gegenteil sei der Fall, erklärt Frank Fligge für die DSW21. „Denn auch im VRR-Bereich wurden die Preise zum neuen Jahr bekanntlich um 5,5 % angepasst.“
Zudem kommt im März eine große Tarifreform. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr streicht 500 seiner aktuell 650 unterschiedlichen Tickettypen. Seine Preisstufen reduziert der VRR von sieben auf drei. Für Abokunden rückt das Deutschlandticket damit noch mehr in den Mittelpunkt, für die Gelegenheitsfahrer steht der Tarif „eezy“ im Fokus – der ist freilich nur per App verfügbar, die den Preis nach zurückgelegten Kilometern berechnet.
Wie viele Menschen nutzen denn das Deutschlandticket überhaupt?
Dem VDV zufolge nutzen rund 13,5 Abonnentinnen und Abonnenten das Angebot. Damit hat die Branche ihr Ziel, bis zum Ende 2024 auf rund 15 Millionen Abos zu kommen, um gut zehn Prozent verfehlt. Der entscheidende Grund dafür sei, dass nach wie vor viele Unternehmen das Deutschlandticket nicht als rabattierte Variante ihren Beschäftigten anböten, teilte der VDV weiter mit. Das sei angesichts der politischen und finanziellen Unsicherheiten rund um das Angebot nachvollziehbar.
Warum gibt es überhaupt noch andere Abotarife als das Deutschlandticket?
Tatsächlich sind zwischen 95 und 97 Prozent der Abokunden längst umgestiegen auf den Deutschlandtarif. Auch die Semestertickets für Studenten funktionieren mittlerweile nach diesem Prinzip. Aber es gibt Fälle, in denen sich andere Tickets durch ihre Zusatzleistungen doch rechnen.
Das Ticket2000 etwa wird die Reform im März überleben. In diesem Tarif ist man freilich limitiert auf seine Stadt (Preisstufe A), die Nachbarschaft (B) oder das VRR-Reich (C). Dafür kann man sein Fahrrad mitnehmen. Das allein würde das Ticket2000 aber immer noch nicht konkurrenzfähig machen. Bucht man die Fahrradmitnahme (+33,45 Euro) im Deutschlandtarif dazu, liegt man immer noch ein paar Euro günstiger ist als das Ticket2000 in der Preisstufe A1 für kleine Städte. Man kann allerdings nach 19 Uhr und am Wochenende eine weitere Person und maximal drei Kinder mitnehmen. In der Preisstufe D mit 221,90 Euro dürfte das aber auch nicht mehr attraktiv sein. Und sobald man mal nach Köln möchte, sind selbst bei diesem Preis noch Zusatztickets nötig.
Das Bärenticket für Senioren zum Beispiel bietet für 112 Euro die gleichen Leistungen wie das Ticket2000 in Preisstufe D plus Fahrten in der 1. Klasse – aber es wird im März eingestellt. Wahrscheinlich, weil es das günstige Deutschlandticket noch unterbot. Das gleiche Schicksal erleiden das Ticket1000, das YoungTicketPLUS und das FirmenTicket-Rabattmodell.