Köln/Bochum. Nach Entführungen und Explosionen vor allem im Raum Köln sind vier Männer angeklagt. Spuren eines Drogenkriegs führen auch ins Ruhrgebiet.
Ein halbes Jahr nach der blutigen Geiselnahme eines Bochumer Paares nach Köln hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Die Tat steht demnach im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Raub von 350 Kilogramm Marihuana aus einer Lagerhalle in Hürth und einem daraus folgenden Drogenkrieg krimineller Banden. Auch im Ruhrgebiet waren zuvor Verdächtige festgenommen worden.
Das Landgericht Köln bestätigte am Donnerstag (9. Januar) den Eingang zweier Anklagen gegen vier Beschuldigte. Drei von ihnen, darunter einem Heranwachsenden, wird die gemeinschaftlich begangene Geiselnahme sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, dem vierten wird zusätzlich ein Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. Sie sollen gegen Geldzahlung beauftragt worden sein, von den damaligen Bewachern der Drogen Informationen über den Raub zu beschaffen – mit Gewalt.
Misshandelt und mit dem Tod bedroht
Dafür sollen sie sich Ende Juni zusammen mit einer nicht identifizierten Person zur Lagerhalle begeben haben. Im Verlauf eines Nachmittags und Abends hätten sie dort fünf Geschädigte in ihre Gewalt gebracht und gefesselt. Laut Anklage sollen die Opfer misshandelt und sogar mit dem Tod bedroht worden sein. Die Polizei befreite die Geiseln.
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Eine weitere Anklage legt einem erwachsenen Beschuldigten Beihilfe zur Geiselnahme sowie einen Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last. Laut Anklagevorwurf sollen sich „zahlreiche“ weitere Personen, zu denen noch ermittelt wird, im Nachgang des Drogenraubs entschlossen haben, in Bochum einen Mann und eine Frau zu entführen: Damit sollte der Bruder des Mannes dazu bewegt werden, das Marihuana zurückzugeben oder einen siebenstelligen Geldbetrag zu zahlen.
Anfang Juli 2024 habe der Angeschuldigte dafür Bargeld, Schusswaffen und Munition entgegengenommen und kurz darauf an eine dritte Person ausgehändigt. Womöglich handelt es sich bei diesem Mann um einen 24-Jährigen, der im August festgenommen worden war. In Bochum sollen weitere Personen mit den Waffen das Paar in ein Fahrzeug gelockt haben. Vorwand für die Tat am 5. Juli war laut Staatsanwaltschaft der vermeintliche Kauf von Marihuana.
Folter im Kölner Keller
Unter Zwang wurden die Opfer damals zu einem Einfamilienhaus in Köln-Rodenkirchen gebracht. Vor allem der Mann soll dort im Keller gefoltert worden sein, bis die Spezialeinheiten der Polizei anrückten.
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Die Polizei Köln ermittelt seit dem Frühsommer mit einer starken Ermittlungskommission unter dem Namen „Sattla“ die Hintergründe. Nach der Entführung gab es in verschiedenen Städten, darunter auch in Düsseldorf, Explosionen, meist vor privaten Wohnhäusern, die ebenfalls im Zusammenhang mit dem Streit um die Drogen aus Hürth stehen sollen. Nach Meinung von Experten breiten sich mit diesen Taten kriminelle Strukturen aus den Niederlanden, der sogenannten „Mocro-Mafia“, auch in Nordrhein-Westfalen aus.
Nicht nur in Köln wurden seither immer wieder Männer festgenommen, die im Verdacht stehen, an dem Tatkomplex beteiligt zu sein. Im Oktober kam ein Mann aus Gelsenkirchen in Haft, zuvor war ein weiterer in Paris verhaftet worden. Im Dezember fassten Fahnder einen 20-Jährigen in Essen, der an der Geiselnahme von Bochum beteiligt gewesen sein soll. Auch die Person, die das Haus für die Entführten in Rodenkirchen zur Verfügung gestellt haben soll, sitzt seit einigen Wochen hinter Gittern.
„Beispiellose Fälle der Gewalt- und Schwerkriminalität“
Kölns Kripochef Michael Esser sprach im Sommer von „beispiellosen Fällen der Gewalt- und Schwerkriminalität, die es bis dato so nicht gegeben hat“. Eine Gruppierung, die um die Drogen geprellt worden sei, versuche, das Cannabis zurückzubekommen oder Schadenersatz zu erhalten, wissen Polizei und Staatsanwaltschaft inzwischen. Dabei bestünden Bezüge zu Drogenbanden in den Niederlanden, insgesamt geht es dabei um mehr als die doppelte Menge der verschwundenen Menge: 700 Kilogramm.
Ob die Anklageschriften zur Hauptverhandlung zugelassen werden und das jeweilige Hauptverfahren eröffnet wird, entscheiden die zuständigen Kammern des Landgerichts Köln.