Essen. Der Fachkräftemangel ist gewaltig, der Krankenstand hoch. Eine neue Job-Statistik zeigt, warum Arbeitnehmende oft so lange fehlen.

Die Bahn stellt Zugverbindungen ein, weil Lokführer erkrankt sind oder dauerhaft fehlen. Eltern von Kita-Kindern schleppen sich von einer Notbetreuung zur nächsten, weil die Erzieherinnen mit Grippe zu Hause bleiben müssen. Und in der Pflege wirft jeder Personalausfall oft ganze Schichtpläne durcheinander. Der Krankenstand in NRW ist enorm, und er betrifft viele Bereiche des Lebens. Eine neue Statistik zeigt jetzt: Am längsten krank sind aber Arbeitnehmende einer Berufsgruppe, die damit kaum im Fokus der Öffentlichkeit steht.

Metaller, Berufe in der Textilherstellung oder auch Drucker kommen in ganz NRW auf den höchsten Krankenstand und übers Jahr gesehen auf die meisten Fehltage. Das geht aus einer NRW-Statistik des BKK Landesverbands Nordwest hervor, die dieser Redaktion exklusiv vorliegt. Demnach lag der Krankenstand in den sogenannten Fertigungsberufen 2023 in NRW bei 9,2 Prozent. Jeder Beschäftigte kam auf 33,6 Krankheitstage, was in der Summe einem Monat entspricht und deutlich über dem Bundesdurchschnitt in den Fertigungsbetrieben liegt (29).

Dicht hinter diesen körperlich fordernden Tätigkeiten sind Sicherheitsberufe sowie Jobs im Verkehrswesen und in der Logistik. Arbeitnehmende waren jeweils etwas über 33 Tage im vergangenen Jahr arbeitsunfähig (AU), gleich dahinter folgen Reinigungsberufe mit knapp unter 33 AU-Tagen. Im Schnitt hat ein Jahr 230 Arbeitstage.

Bei allen vier Berufsgruppen waren Muskel- und Skeletterkrankungen wie etwa Gelenkbeschwerden, Rückenprobleme oder Bandscheibenschäden der Hauptgrund für langes und häufigeres Fehlen. Dabei scheint das Alter eine Rolle zu spielen: Beschäftigte in den Berufen mit den meisten AU-Tagen sind älter als der Landesdurchschnitt.

Die Statistik der Betriebskassen bezieht sich auf den BKK-Gesundheitsreport 2024, der Daten für alle 14 Berufsbereiche von der Produktion über Handelsberufe bis in die Unternehmensführung aufführt. Insgesamt haben die Krankmeldungen im Jahr 2023 in NRW mit etwas über 24 AU-Tagen je Beschäftigten den höchsten Wert seit mehr als einem Jahrzehnt erreicht (Bund: 22)

Dr. Dirk Janssen, BBK Landesverband Nordwest, Vorstand 

„Schlechte Arbeitsbedingungen machen länger krank. Das A & O ist ein gesunder Arbeitsplatz mit guter Arbeitsatmosphäre.“

Dirk Janssen
Vorstand des BKK-Landesverbandes Nordwest

Dirk Janssen, Vorstand des BKK-Landesverbandes Nordwest, appelliert an Betriebe, stärker auf Prävention zu setzen. „Schlechte Arbeitsbedingungen machen länger krank“, so Janssen. „Wir merken, dass Prävention effektiv und nachhaltig wirkt, wenn sie auf den Einzelnen zugeschnitten ist und nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip verteilt wird.“ Die gut ein Dutzend Betriebskrankenkassen, die der Landesverband vertritt, zählen in NRW rund drei Millionen Versicherte.

Psychische Erkrankungen häufen sich in Gesundheitsberufen

Unter das Dach der 14 Berufsbereiche fallen gut drei Dutzend Hauptberufsgruppen mit sehr unterschiedlicher Belastung. Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems treten demnach besonders häufig bei Menschen auf, die in der Rohstoffgewinnung und Verarbeitung tätig sind. Erzieherinnen und Erzieher führen die Liste der meisten Fehltage wegen Grippe, Bronchitis und anderen Erkrankungen der Atemwege an.

Der psychische Druck ist indes in den nicht-medizinischen Gesundheitsberufen am höchsten. Altenpflegekräfte, die den größten Anteil in dieser Gruppe ausmachen, kommen auf über 725 AU-Tage je 100 Beschäftigte. Sie fallen auch besonders oft und lange durch Infektionen aus. Verletzungen und Vergiftungen treten in NRW am häufigsten in Bauberufen, Fahrer im Transportwesen leiden am häufigsten unter Erkrankungen des Verdauungssystems.