Bochum. Immer mehr Kinder sind allergisch gegen Nüsse. Worauf Eltern im Alltag achten sollten, was im Notfall hilft – und ob es eine Behandlung gibt.
In einer Essener Grundschule dürfen Schülerinnen und Schüler seit kurzem keine Nüsse und Produkte, in denen Nüsse enthalten sind, mehr essen. Denn diese könnten für zwei Schüler, die hochgradig allergisch sind, Lebensgefahr bedeuten, warnt die Schulleiterin. Wie gefährlich ist eine Nussallergie wirklich? Wie viele Menschen sind betroffen? Und wie kann man ihnen im Notfall helfen? Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Wie viele Menschen haben eine Nussallergie?
Nussallergien zählen zu den häufigsten Lebensmittelallergien. Laut der Stiftung ECARF (European Centre for Allergy Research Foundation), die ihren Sitz in Essen hat, sind rund 1,4 Prozent der Europäerinnen und Europäer betroffen – Kinder wie Erwachsene.
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Dabei ist davon auszugehen, dass in Zukunft mehr Menschen allergisch auf Nüsse reagieren, sagt Heinrich Dickel. Er ist Allergologe am Katholischen Klinikum Bochum. „Amerikanische Studien zeigen, dass zusehends mehr Kinder allgemein allergisch gegenüber Nahrungsmitteln sind. Das führt man zurück auf eine Veränderung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten“, sagt der Experte.
Welche Nüsse können Allergien auslösen?
Haselnüsse und Walnüsse zum Beispiel. Aber auch Cashewnüsse, Pekannüsse, Macadamianüsse, Mandeln oder Pistazien können zu allergischen Reaktionen führen. Sie zählen im botanischen Sinne zwar zu den Steinfrüchten, nicht zu den Nüssen, werden aber unter Nussallergien geführt. Gleiches gilt für Erdnüsse, die eigentlich zu den Hülsenfrüchten zählen, und gegen die besonders viele Menschen allergisch sind. Eine Erdnussallergie entsteht meist im Kindesalter und bleibt bei rund 80 Prozent der Betroffenen ein Leben lang bestehen.
Ausgelöst wird die Überreaktion des Immunsystems durch bestimmte Proteine, die in den Nüssen stecken. Die meisten Betroffenen sind nicht gleich gegen alle Nüsse allergisch, sondern nur gegen bestimmte Arten. Allerdings kann es zu sogenannten Kreuzallergien kommen. Dabei löst eine Nussallergie auch allergische Reaktionen auf andere Nüsse oder sogar andere Lebensmittel aus.
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Wie erkennt man eine Nussallergie?
Leichte Symptome sind laut Dickel etwa ein Kribbeln, ein pelziges Gefühl oder Jucken auf der Zunge, den Lippen und im Rachenraum. Starke allergische Reaktionen betreffen vor allem die Haut, es kann aber zum Beispiel auch zu Übelkeit, Durchfall, Heiserkeit oder Atemnot kommen.
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„Die Mundschleimhaut und Zunge können anschwellen, was das Luftholen schwer bis sogar unmöglich macht“, sagt Dickel. „Dann wird es lebensbedrohlich.“ Wenn zur Atemnot noch Bewusstlosigkeit und Kreislaufstillstand hinzukommen, spricht man von einem anaphylaktischen Schock.
Und wann treten die Symptome auf?
Schon während des Verzehrs von Nüssen oder mit etwas Verzögerung. Für hochgradige Allergiker kann es schon gefährlich werden, wenn sie bloß in Kontakt mit Nüssen kommen, erklärt Dickel: „Bei den ganz krassen Fällen reicht es schon aus, wenn ein Kind zum Beispiel ein anderes berührt, das davor ein Nutellabrot gegessen hat. Oder auch, wenn ein Kind am anderen Ende des Klassenzimmers einen Nussriegel ist. Die Allergene verbreiten sich dann über die Luft und werden von dem allergischen Kind eingeatmet. Auch das kann bis hin zu einem allergischen Schock führen.“
Was hilft Allergikern im Notfall?
Bei einem anaphylaktischen Schock sollte zuallererst der Notarzt gerufen werden. In der Regel haben Allergiker auch ein Notfallset bei sich oder zum Beispiel in der Schule deponiert. Darin sind enthalten: Kortison und ein Antihistaminikum, vorzugsweise jeweils in flüssiger Form, und ein Adrenalin-Autoinjektor, so Dickel. Wie die Mittel anzuwenden sind, wird durch eine Allergologin oder einen Allergologen geschult und in den Beipackzetteln erklärt.
Kann eine Nussallergie behandelt werden?
„Die ernüchternde Antwort: Nein“, sagt Dickel. Eine wirksame Therapie zur Heilung der Allergie gebe es derzeit nicht. Erdnuss-Allergiker können, ab einem Alter von vier Jahren, jedoch eine sogenannte Desensibilisierung durchführen. Betroffene müssen dafür jeden Tag eine bestimmte Menge an Erdnussprotein in Kapseln zu sich nehmen. So soll eine Toleranz des Immunsystems gegenüber Erdnüssen geschaffen werden, erklärt Dickel.
Die Methode hat allerdings einen Haken, sagt der Experte: „Anders als bei einer Immuntherapie bei zum Beispiel Baumpollen kann keine Umorganisation des Immunsystems erreicht werden.“ Das heißt: Sobald man die Therapie unterbricht, ist man wieder in vollem Ausmaß gefährdet und muss von vorn beginnen.
Worauf sollten Betroffene im Alltag achten?
In jedem Fall sollten sie genau untersuchen lassen, gegen welche Nuss sie allergisch sind und wie sensibel sie reagieren. „Dann kann man abklären: Reicht es, wenn der Betroffene eine Stunde vor dem Essen eine Allergie-Tablette einnimmt? Oder muss er mit einem Notfall-Set ausgestattet werden?“, so Dickel. Eine hochgradige Allergie bedeutet meist für das Umfeld der Betroffenen – ob Familie, Freunde, Schule, Arbeit oder Verein – Einschränkungen und erfordert von allen Mitmenschen ein besonderes Maß an Vorsicht.
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Außerdem rät Dickel zu einer allergologischen Ernährungsberatung. Denn Nüsse zu vermeiden, ist gar nicht so einfach, wie es vielleicht klingt. Sie sind schließlich in vielen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten, zum Beispiel in Brot, Schokolade, Joghurt, Paniermehl, Eis oder Wurstaufschnitten.
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