Essen. Immer mehr Kinder sind allergisch gegen Nüsse. Sollten Schulen und Kitas auf die Gefahr reagieren – und Nutellabrot, Müsliriegel & Co. verbieten?
Ob Nutellabrot, Müsliriegel oder Erdnussflips: Auf diese und noch viele weitere Lebensmittel müssen die Schülerinnen und Schüler der Andreasschule in Essen seit kurzem verzichten. Die Grundschule erklärte sich zum Start des neuen Schuljahres zur „nussfreien“ Einrichtung – zum Schutz von zwei allergischen Schülern.
Von Atemnot über Bewusstlosigkeit bis hin zum Kreislaufstillstand: Kommen sehr allergische Menschen in Kontakt mit Nüssen, kann das zu einem sogenannten anaphylaktischen Schock führen. „Für die beiden Kinder kann es schon lebensbedrohlich sein, wenn ein anderes Kind im Klassenzimmer etwas mit Nüssen isst“, sagt Schulleiterin Stephanie Kassing. Generell sind immer mehr Kinder gegen Nüsse oder andere Lebensmittel allergisch. Sollten sich Schulen und Kitas daran anpassen? Und kann das überhaupt gelingen?
Essener Schule wird nussfrei: „Die Akzeptanz ist sehr hoch“
An allen Eingängen der Andreasschule weisen Schilder auf das neue Verbot hin. Stephanie Kassing und ihr Kollegium haben gleich das ganze Schulgelände zur Nussfreien-Zone erklärt. „Die Kinder sind ja nicht nur mit den Mitschülerinnen und Mitschülern aus der eigenen Klasse in Kontakt. Sie gehen in die OGS oder Mittagsbetreuung. Und in den Pausen spielen sie nochmal mit anderen Kindern“, sagt sie.
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Die Eltern der rund 300 Schülerinnen und Schüler wurden außerdem in einem Brief gebeten, ihren Kindern keine Nüsse oder nusshaltigen Lebensmitteln mehr mitzugeben und auch beim Backen von Geburtstagskuchen darauf zu achten. Eine Mutter erzählt, dass das in ihrer Klasse zu Diskussionen unter den Eltern geführt habe. Einige hätten sich gefragt, ob das wirklich sein müsse, schließlich seien Nüsse ja sehr gesund. Sie selbst habe die Bedenken nicht nachvollziehen können. Schulleiterin Kassing hat den Eindruck, dass ein Großteil die neue Regel mittlerweile gut annimmt: „Die Akzeptanz ist sehr hoch, auch bei den Kindern.“
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15 nussfreie Schulen – in ganz Deutschland
Die Andreasschule ist eine der wenigen nussfreien Schulen in Deutschland. Obwohl immer mehr Kinder allergisch sind, hat sich das Konzept bisher kaum durchgesetzt. Die NRW-Städte selbst erfassen zwar nicht, ob eine Schule in ihrem Gebiet nussfrei und das Fachpersonal entsprechend geschult ist. Das „Nuss/Anaphylaxie Netzwerk“ zählt allerdings gerade mal 15 entsprechende Einrichtungen bundesweit.
Eine davon war bis vor kurzem die Grundschule „Berchum Garenfeld“ in Hagen. Wie in Essen verzichteten alle Schüler und Lehrkräfte zum Schutz eines sehr allergischen Kindes auf Nüsse. „Das hat in den ganzen Jahren nie zu Problemen geführt. Wir sind aber auch eine kleine Schule, in der sich alle kennen“, sagt Leiterin Melanie Wittstock. Mittlerweile ist das betroffene Kind auf eine weiterführende Schule gewechselt – und das Verbot erstmal wieder aufgehoben.
Nussfreie Kita in Solingen: „Wir sind fit im Thema“
In den Kitas in NRW ist ein Nuss-Verbot ebenfalls kaum Thema. Große Träger der Region – wie die Arbeiterwohlfahrt, der Kita-Zweckverband oder Fröbel – teilen auf Anfrage dieser Redaktion mit, dass sie im Einzelfall gemeinsam mit den Eltern des betroffenen Kindes Schutzmaßnahmen beschließen, Nüsse aber bisher nirgendwo pauschal verboten sind.
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Eine der wenigen Ausnahmen: die „Caritas Kindertagesstätte Nazareth“ in Solingen. Dass die Einrichtung seit rund sechs Jahren nussfrei ist, habe sich in der ganzen Region herumgesprochen, erzählt Leiterin Ivonne Iffland: „Eltern fragen gezielt, ob ihr Kind zu uns kommen kann, weil wir fit im Thema sind.“
Lässt sich Nuss-Verbot in der Schule wirklich umsetzen?
Ausschlaggebend war der Schutz eines sehr allergischen Kindes. Seine Mutter informierte damals die anderen Eltern über die Gefahren, fast alle hätten Mitgefühl und Verständnis gezeigt. Das sei noch heute so, sagt Iffland: „Der ein oder andere hat mal gesagt: ,Na toll, mein Kind muss verzichten.‘ Aber an sich nehmen es alle gut an. Und es ist ja auch gut, wenn Kinder früh lernen, auf andere Rücksicht zu nehmen.“
Die Kita-Leiterin ist allerdings skeptisch, inwieweit sich ein Verbot auch an Schulen umsetzen lässt. „Wir sind ein kleines Haus mit gerade mal zwei Gruppen. Die Eltern bringen ihr Kind jeden Tag hin und holen es wieder ab, da ist die Kommunikation leicht. Für die Schule stelle ich mir das herausfordernder vor. Die Lehrerin kann ja auch schlecht die Brotdosen aller Kinder kontrollieren.“
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Generell unterstütze sie den Schritt der Essener Andreasschule aber. „Wir bekommen bei den Anmeldungen mit, dass immer mehr Kinder allergisch sind“, sagt Iffland. „Und wir wissen, wie große die Gefahr für sie sein kann und wie viele Sorgen sich ihre dann oft Eltern machen.“
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